BDSM - mehr als eine sexuelle Neigung?

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

      BDSM - mehr als eine sexuelle Neigung?

      Hallo liebe Forenmitglieder,

      seit zwei Tagen beschäftigt mich etwas und mich würde eure Sichtweise dazu sehr interessieren.
      In dem Thema "DogPlay" von @Belle las ich zwei Punkt, durch die ich nachdenklich wurde und anfing zu philosophieren. Sie schrieb:

      Belle schrieb:

      Das klingt jetzt alles sehr "DS" lastig und das ist es auch, zumindest bei mir/uns. Sicher kann man das Tricks lernen mit dem Rohrstock etwas antreiben, aber dabei handelt es sich eher um die Ausnahme. Zudem könnte ich keinen Sex mit meiner Dobi Rolle verbinden, für mich persönlich passt es einfach nicht zusammen...


      Belle schrieb:

      In welchem Bereich des BDSM würdest du dein PetPlay "einsortieren"? Geht das überhaupt?

      Ja, das geht schon. In den Bereich "DS", Fetisch und Rollenspiel. PetPlay ist sozusagen das "DS" Häubchen auf unserem "SM" Kuchen? (Was ne Aussage)


      Mir fiel auf, dass auch ich einen Zwiespalt spürte. Nicht nur hinsichtlich PetPlay, sondern ganz allgemein.
      Egal ob Bondage, SM oder DS jedes dieser Themen wird fast ausschließlich in einem sexuellen Kontext besprochen. Speziell in der Öffentlichkeit ist BDSM rein als sexuelle Neigung immer stärker im Fokus.
      Doch eigentlich ist es doch viel mehr als das, zumindest für mich und wohl auch für viele von euch.

      Da ich selbst mich im Bereich DS sehen würde, spreche ich nur für mich.
      Es ist der Wunsch, einem Menschen an dem mir liegt durch Demut meine Wertschätzung zu zeigen, egal ob körperlich oder emotional.
      Dabei besteht in meinen Augen kein Zusammenhang zwischen Sex und eben diesen Bedürfnis, meine Achtung zu zeigen. So könnte man auch vor jemanden knien, der einem ein Freund und Vertrauter war, an dem man doch kein sexuelles Interesse hegt. Man kann einer Person dienen wollen, eine tiefe Bindung empfinden, ohne Ansprüche auf deren Körper bzw. umgekehrt, ohne Erregung zu verspüren.

      Warum wird dennoch so häufig BDSM ausschließlich mit Sex verbunden?
      Ist es weil emotionale Nähe so oft den Wunsch auch nach einer körperlichen Verbindung schafft?
      Sollte man es nicht auch manchmal einfach trennen und dem Satz folgen "es ist ein Bedürfnis, dann lebe es aus, egal in welcher Form"?

      Vermutlich sollte man beginnen zu trennen, denn Dinge bekommen erst dann Bedeutung, wenn man ihnen eine beimisst.
      Welche auch immer das ist, muss jeder von uns letztendlich selbst entscheiden. :)

      Liebe Grüße
      Lune

      Lune schrieb:

      Vermutlich sollte man beginnen zu trennen, denn Dinge bekommen erst dann Bedeutung, wenn man ihnen eine beimisst.


      Mein BDSM ist recht sexuell geprägt und ich sehe BDSM als Teil meiner Sexualität an. Dennoch kann ich mein BDSM auch ohne Sex ausleben und meinen Sex ohne BDSM, derzeit gibt es aber keinen Grund dieses beiden Bereiche voneinander zu trennen und daher genieße ich sie auch zusammen.

      BDSM wie auch die Sexualität leben für mich von ihrem Facettenreichtum, wenn ich verschiedene Teile kombiniere kann es kaum eintönig werden und so leben ich beides recht bewusst zusammen aus.
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff

      Lune schrieb:

      Warum wird dennoch so häufig BDSM ausschließlich mit Sex verbunden?


      So würde ich es wahrscheinlich auch nicht ausdrücken. Aber eines der Hauptbestandteile ist und bleibt für die meisten, die sexuelle Erregung. Das Spiel mit der Lust. Die wenigstens würden sich aber grundsätzlich durch ihre "niederen" (:D ) Triebe identifizieren oder darauf begrenzt werden wollen. Trotzdem oder gerade deshalb kann BDSM aber auch die Grundlage für dieses "mehr" sein.

      In einem anderen Thread hatte ich bereits etwas über diese chaotischen Umstände im Leben geschrieben und auch hier möchte ich kurz darauf eingehen und eine vielleicht ziemlich wilde Behauptung aufstellen. (Es ist nur eine Theorie): Die Gesellschaft hat sich verändert. Alles ist schneller, bunter, mehr Informationen, mehr Möglichkeiten. Der Mensch ist grundsätzlich in eine Art "Katastrophenzustand" gefangen - mental gesehen. Momente in denen wir in uns gehen, runterschalten, entspannen, werden immer seltener. Der heutige Mensch neigt dazu mehr den Moment zu leben, nicht langfristig oder vorausschauend zu agieren. Wie auch? Heutzutage ändern sich so viele Dinge so rasend schnell. Der Wunsch nach Ordnung und Struktur wird dadurch bei vielen Menschen immer größer.

      Meine Theorie ist deshalb, dass gerade Personen, die BDSM ausleben und dies aktiv in einem Machtgefälle, diese daraus positiv resultierenden Energien weiterhin ausbauen. Sprich: Das was vorher zeitlich auf den sexuellen Akt ausgelegt war, wird immer mehr Einfluss auf den Alltag nehmen. Das vorher sexuelle Machtgefälle breitet sich auf weitere Bereiche aus. Das würde ich jedoch nicht "BDSM" an sich zuschreiben, sondern der Gesellschaftlichen Situation des 21. Jahrhundert. Der Wandel der Zeit.

      LG, May

      (Ich hoffe, es ist verständlich. Ansonsten ruhig fragen :D )
      Ich glaube, wie sehr oder wenig Sex und BDSM verwoben sind, liegt immer am Einzelnen.

      Für mich sind BDSM und Sex sehr eng verwoben. Sex ohne BDSM geht klar, aber BDSM ohne Sex gibt es zumindest bisher noch nicht. Aktuell kann ich mir das auch nur schwer vorstellen. Meine Wertschätzung meinem Partner gegenüber zeige ich einfach auf andere Art und Weise als durch D/s...

      Ich frage mich auch nach der Sinnhaftigkeit, da irgendetwas abgrenzen oder definieren zu wollen.
      Es ist jetzt nicht meine Absicht, wieder das Fass mit dem "Warum muss man alles in Schubladen packen?" aufzumachen. Es ist nur ein Gedanke, der mir immer wieder kommt, wenn hier im Forum die Fragen nach einer klaren Definition oder Abgrenzung zu benachbarten Themen aufkommen.

      Lune schrieb:

      Es ist der Wunsch, einem Menschen an dem mir liegt durch Demut meine Wertschätzung zu zeigen, egal ob körperlich oder emotional.


      dieser wunsch ist ein verbreiteter denke ich, schon seit jahrtausenden
      wenn man z.b. statt mensch gott (egal welcher konfession) denkt, dann ist es asexuell und erfüllt doch den Anspruch der Hingabe, des Dienens in Demut wie es oft so schön genannt wird - unabhängig ob lesbisch, schwul, bi oder hetero und abseits jeder praktik, jedes rollenspiels

      ob das eine gelungene sublimierung des triebes oder als was eigenständiges definiert wird? dazu fehlt mir die sachkenntnis
      Mein BDSM hat mit meiner Sexualität rein gar nichts zutun, sprich beim Spielen wird mein Murmeltier nicht seinen Schatten werfen, nicht mal sexuelle Gedanken habe ich :)

      Ich hatte bis jetzt fast ausschlieslich Spielpartner/innen, die es sexuell erregten und ich respektiere das, genauso das die es respektierten, dass es mich nicht sexuelle erregte und somit keine direkten sexuellen handlungen ( bei Männern überhaupt gar keine) stattfinden.

      Wenn z.b. ein weibl. bottom während des Spiels eine sexuelle handlung möchte, so könnte ich mit einen Dildo o.ä. nachhelfen, dass ist nicht das Problem ;)
      Guten Tag zusammen,

      vielen Dank, Lune für Deine Gedanken zu diesem Thema, die auch mich seit einiger Zeit beschäftigen.

      Auch an May vielen Dank, denn mit genau dem Thema der permanenten Überforderung des Menschen habe ich mich bereits sehr intensiv auseinandergesetzt. Ich kann Deinen diesbezüglichen Gedankengängen also sehr gut folgen. Erste Ansätze zu diesem Thema hatte ich im volkswirtschaftlichen Kontext zum Ende meines Studium kennengelernt und das Thema lässt mich nicht los. Aber ich will mich in diesem Beitrag nicht in Gesellschaftskritik ergehen, sondern meine persönliche Wahrnehmung einbringen.

      Auch für mich steht der sexuelle Aspekt im Mittelpunkt, aber ich beginne ja gerade eine D/s-geprägte Liebesbeziehung und ich merke, dass das "Dom-Sein" für mich wirklich mehr ist, als eine Rolle, in die ich bisweilen schlüpfe. Ich habe meiner Verehrtesten schon bei der Erziehung ihres Sohnes und ihres Hundes geholfen. Das ergab sich einfach aus der Situation heraus. Es gab da Situationen, über die sie sich schon lange geärgert hat, aber sie hat den Ausweg nicht gesehen. Ich habe ihr Vorschläge gemacht, was und wie sie es ändern kann und es war glücklicherweise in beiden Fällen sofort von Erfolg gekrönt.

      Es hat sich also nun dahingehend geändert, dass sie zufriedener mit ihrer Situation ist, sowohl ihr Sohn, als auch ihr Hund akzeptieren die neuen Grenzen und kommen erstaunlich gut damit klar und ich habe den Anstoß gegeben. Das macht meine Verehrteste und mich unglaublich stolz.

      Andererseits ist der sexuelle Aspekt für mich nicht wegzudenken. Ich will Sex! Ich will guten, häufigen und abwechslungsreichen Sex! Und da bietet BDSM eine unglaubliche Vielfalt.

      Ich erkenne also, das BDSM für mich ganz persönlich mehr als eine sexuelle Neigung ist, aber dennoch ist der sexuelle Aspekt das Wichtigste für mich. Im Übrigen ist es auch für meine Verehrteste und mich gar keine Frage, dass wir auch Sex ohne BDSM miteinander genießen werden.

      Viele Grüße

      Cornelius

      Cornelius schrieb:

      Ich erkenne also, das BDSM für mich ganz persönlich mehr als eine sexuelle Neigung ist, aber dennoch ist der sexuelle Aspekt das Wichtigste für mich.



      vielleicht kommt es nur ganz schlicht drauf an, was mensch ganz individuell für sich sexualisiert also ein ergebnis des persönlichen entwicklungsweges, der konditionierung?
      Liebe @May, ja alles absolut verständlich und ein Ansatz den ich so noch nicht betrachtet hatte :)
      Danke dafür!

      @Revelation ja es gibt natürlich viele Arten Gefühle gegenüber dem Partner auszudrücken und das Ziel ist auch nicht hier Schubladen zu finden.
      Ich sinniere nur ein wenig und spreche meine Gedanken einmal laut aus :D

      Ich persönlich glaube surprise hat Recht, einen Teil könnte man auf Konditionierung zurückführen und vielleicht auch wie ich oben vermutete:

      Lune schrieb:

      ...weil emotionale Nähe so oft den Wunsch auch nach einer körperlichen Verbindung schafft?


      Eventuell ist mein Gedankengang auch meiner Ambivalenz geschuldet. Manchmal betrachte ich es recht "kopflastig" und manchmal stellt es eine sinnliche Erweiterung dar.
      Insgesamt kombiniere auch ich die Elemente frei, je nach meinem Empfinden und meinem Gegenüber ist Sex nicht zwangsläufig mit BDSM verbunden und umgekehrt. Jedoch genieße ich die Intensivierung die es durch die zusätzlichen Facetten erfährt.
      Hi Lune,

      ich habe mir insbesondere Gedanken über den Umstand gemacht, warum BDSM oftmals in sexueller Hinsicht betrachtet wird. Der Umstand, BDSM geht weit über den sexuellen Bereich hinaus, ist uns wohlbekannt. Er hat - je nach Ausprägung - auch mit der Art des Umgangs miteinander im normalen Leben zu tun.

      Für diese Zusammenhänge, wie zwei Menschen miteinander umgehen, gibt es jedoch in der Nicht-BDSM-Welt hinreichende Beschreibungen und auch treffende Begriffe, die nicht direkt ausschließlich mit BDSM in Verbindung gebracht werden können. Für eine DS-Beziehung ließen sich auch andere Umschreibungen finden: Konventionell, 50er-Jahre-Ehe, usw.

      Wo also fällt BDSM als BDSM wirklich primär auf? Doch wohl da, wo tatsächlich der Bereich der sexuellen Ausprägung berührt wird. Dieser sexuelle Bereich wird auf einmal BDSM dediziert, sofern Praktiken Anwendung finden, die dem riesengroßem Areal von BDSM zugeordnet werden können. Bei den Themen Bondage und Sadomasochismus wird das auf einmal eindeutig. Vermutlich wird niemand darüber diskutieren, ob diese Bereiche tatsächlich BDSM zugeordnet werden, oder nicht.

      Wenn man ein Päärchen erlebt, bei denen einer der Partner das Sagen hat und der andere hörig ist, dann wird man gegebenenfalls als Außenstehender und selbst als bekennender BDSMler nicht unbedingt sofort den Bogen zu dieser Begrifflichkeit spannen. Sobald die Peitsche ins Spiel kommt, wird es jedoch eindeutiger. Auf Beziehungsebene ist BDSM für Beobachter also unauffälliger und möglicherweise sogar strittiger. Ich selbst bin mir nicht einmal klar darüber, wie ich BDSM definieren würde und wo die Grenzen zwischen Nicht-BDSM und BDSM für mich liegen. Jedoch behaupte ich von mir selbst, relativ aufgeklärt zu sein. Wie soll es da erst Menschen gehen, die sich mit diesem Feld noch nicht beschäftigt haben?

      Was ich sagen möchte: Das wahrhaft Auffällige und Eindeutige an BDSM ist eben die sexuelle Ausprägung und wahrscheinlich tritt sie deshalb derart, sowohl in der Innendarstellung der BDSMler unter sich, als auch in der Außendarstellung, aber auch in der Außenwahrnehmung in den Fokus. Zumindest wäre das meine vermutete Erklärung, die ich mir gerade hier mal so zusammen spinne.

      Danke für die Frage
      Siggy
      Hi @Siggy.Freund

      in einigen Kulturen herrscht auch ein gewisses Machtgefälle. Dies wird von der westlichen Welt oft mit "Unterdrückung" gleichgesetzt. Unabhängig davon, ob es so gewollt, gewünscht oder einfach den kulturellen Gegebenheiten entspricht. Niemand würde dort oder hier auf die Idee kommen, es BDSM zu nennen.

      Ich, als halbtürkin kenne dieses "natürliche" (bitte nicht an diesem Begriff stören. Ich benutze ihn lediglich, weil ich es als natürlich empfinde. Ich bin so groß geworden. Es war so richtig und musste so sein.) Machtgefälle. Habe Kaffeetassen auf der Handinnenfläche getragen, um meinem Gegenüber die Abnahme des heißgetränks zu vereinfachen. Der Blick gegenüber Männern war stets zum Boden zu senken. Wie du siehst, kenne ich vieles, das hier als DS-Machtgefälle empfunden wird von Kindheit an. Es gehörte zur kulturellen Erziehung. Ich möchte gleich allen den Wind aus den Segeln nehmen, deren Alarmglocken losgehen: Nein, ich wurde nicht dazu gezwungen. Es war natürlich. Eine Ordnung, die der Familie Zusammenhalt und Stärke verlieh, denn jeder hatte seinen Platz, fühlte sich zugehörig und sicher.

      Das hatte nichts mit BDSM zutun, sondern war einfach eine Lebensstruktur. Ein geregelter Tagesablauf mit einer klar struktierten Aufgabenaufteilung.

      BDSM wird erst zu BDSM, wenn die dafür bekannten Bereiche berührt werden: Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism.

      LG; May

      Lune schrieb:

      Es ist der Wunsch, einem Menschen an dem mir liegt durch Demut meine Wertschätzung zu zeigen, egal ob körperlich oder emotional.


      Das ist auch für mich ein ganz zentraler Aspekt: Einer Frau, die ich liebe, möchte ich in Demut und Respekt gegenüber treten. Dazu gehört für mich auch, dass ich Weisungen von ihr annehme, dass ich Disziplin und Strafen entgegennehme und akzeptiere. Selbst wenn ich dabei die Zähne zusammenbeißen oder schreien muss, so vertraue ich immer darauf, dass meine Partnerin es aus Liebe tut und nicht, um mich zu schädigen. Das gibt mir hoffentlich Kraft, die Dominanz, die Schmerzen und die Disziplinierungen durch meine geliebte Partnerin mit Würde zu tragen, mich vertrauensvoll hinzugeben.

      Selbst wenn mich einer Frau gegenüber in einer (leicht) dominanten Rolle sehen sollte (dazu hatte ich kürzlich in einem nicht-öffentlichen Forenbereich etwas geschrieben), würde ich das nur auf der Basis von Liebe und Respekt tun vor meiner Partnerin tun; mit einer unbedingten Achtung vor ihrer Würde und Integrität als Frau, alles andere wäre für mich unvorstellbar. Gerade der Respekt vor dem schwächeren Part wäre mir etwas ganz Wichtiges, dass ich meine eigene Macht verantwortungsvoll dosiere und niemals missbrauche.

      Von sehe würde ich sagen: BDSM hat primär etwas mit Sexualität zu tun, aber auch mit der bewussten Auseinandersetzung mit den Grenzen des Partners und seiner Würde als Mensch - genau wie mit meiner eigenen Würde und meinen eigenen Grenzen. Dominanz und Unterordnung nicht zu negieren, sie (auch im Zeitalter von Demokratie und Gleichberechtigung) nicht als etwas per se Böses anzusehen, sondern bewusst damit zu spielen und als Teil des menschlichen Miteinanders zu akzeptieren - dabei aber immer die gegenseitigen Grenzen im Blick behalten: Das wäre meine persönliche BDSM-Philosophie, die über das rein Sexuelle hinausgeht, denn Dominanz und Unterordnung, Schmerzen zufügen und zugefügt bekommen, das erlebt man (zumindest im übertragenen Sinn) überall im Leben - und überall wird man dabei mit den gleichen Fragen konfrontiert:

      - Wo darf ich von anderen Menschen berechtigterweise etwas einfordern?
      - Wo muss ich mich selbst berechtigten Forderungen beugen?
      - Wo sind die persönlichen Grenzen des Anderen, wo sind meine eigenen Grenzen?
      - Wo gibt es Grenzen, die man niemals überschreiten darf, weil sie die Integrität und die Würde von irgendwem verletzen? Wo darf oder muss ich den Gehorsam vielleicht auch mal verweigern?

      Das sind Fragen, mit denen muss sich jeder Mensch im Laufe seines Lebens auseinander setzen, BDSMler aber sicher noch mehr. Ich kann mir sogar vorstellen, dass Menschen, die BDSM betreiben, gegenüber solchen Fragen oft sensibler sind als der Bevölkerungsdurchschnitt, weil sie im Rahmen ihrer Sexualität ständig damit konfrontiert werden. Was meint ihr dazu?

      May schrieb:


      Ich, als halbtürkin kenne dieses "natürliche" (bitte nicht an diesem Begriff stören. Ich benutze ihn lediglich, weil ich es als natürlich empfinde. Ich bin so groß geworden. Es war so richtig und musste so sein.) Machtgefälle. Habe Kaffeetassen auf der Handinnenfläche getragen, um meinem Gegenüber die Abnahme des heißgetränks zu vereinfachen. Der Blick gegenüber Männern war stets zum Boden zu senken. Wie du siehst, kenne ich vieles, das hier als DS-Machtgefälle empfunden wird von Kindheit an. Es gehörte zur kulturellen Erziehung. Ich möchte gleich allen den Wind aus den Segeln nehmen, deren Alarmglocken losgehen: Nein, ich wurde nicht dazu gezwungen. Es war natürlich. Eine Ordnung, die der Familie Zusammenhalt und Stärke verlieh, denn jeder hatte seinen Platz, fühlte sich zugehörig und sicher.


      Dass du das für dich als Sicherheit empfunden hast, will ich nicht in Frage stellen und nicht bewerten, aber eins würde mich interessieren: Was für Chancen haben denen dominante Frauen oder auch devote Männer, sich in einer derart patriarchalisch geprägten Kultur zu verwirklichen, in der du aufgewachsen bist?

      Wen ich mir vorstelle, ich als (ganz überwiegend) masochistisch-devoter Mann müsste in einer patriarchalischen Macho-Kultur leben (wo auch immer), dann stelle ich mir das nicht gerade sehr beglückend vor, wenn man sein wahres Ich ständig verheimlichen muss und niemals leben darf, Menschen können an so etwas auch zerbrechen.
      Aus meiner Sicht ist BDSM eine Mischung aus allem! Da es ja nun mal mehrere Bereiche miteinander
      verbindet, und die meisten sich in allen Bereichen heimisch finden.
      Sicher wird es auch viele geben, so wie @Herr Basti geschrieben hat, die keine sexuelle Erregung daraus ziehen. Das kommt aber, denke ich, immer auf die Person dahinter an.
      Jeder ist da anders, und für mich gehört es einfach zusammen, auch im DS Bereich das Sexuelle mit ein zu binden.
      Aber warum sollte man es denn unbedingt trennen? Ich meine, wenn mich mein Partner, in alltäglichen Situationen, im Sinne von DS (das hört sich doof an, aber mir fehlt gerade eine andere Formulierung) behandelt und ich ihm meinen Demut zum Ausdruck bringe (ohne Sex), selbst dann hat man doch irgendwo im Hinterkopf "Ach, wenn wir doch jetzt könnten".
      Also trennt man es an dieser Stelle, für den Moment, von einander. Das ist dann aber eher in der Form
      aufgeschoben ist nicht aufgehoben, wenn ihr versteht was ich meine.

      Also nein, ich würde da nix trennen wollen. Dann würde mir ein Stückchen meiner Sexualität, die sich durch BDSM ja immer wieder anders gestaltet, fehlen.
      Aber wie du ja schon geschrieben hast, das entscheidet jeder für sich, bzw. sollte und muss auch jeder für sich entscheiden.
      Aber das ist doch irgendwo auch das Gute am BDSM, weil es einfach sehr weit gefächert ist und jeder es für sich spezifizieren kann. :)
      Grüße

      Mrs. Mendor

      ______________________________________________________________________________

      Ich sage das, was ich denke, und nicht das was DU hören willst!
      (Verfasser unbekannt)

      Adrian_2015 schrieb:

      Dass du das für dich als Sicherheit empfunden hast, will ich nicht in Frage stellen und nicht bewerten, aber eins würde mich interessieren: Was für Chancen haben denen dominante Frauen oder auch devote Männer, sich in einer derart patriarchalisch geprägten Kultur zu verwirklichen, in der du aufgewachsen bist?


      Das kann ich dir ganz leicht beantworten: Schau mich an :) Ich bin alles andere als devot. Klar, kann ich es sein. Aber grundsätzlich bin ich doch eine selbstbewußte und starke Frau (wurde heute auch mehrfach im Peitschenhandel als Domina bezeichnet. Eine andere Domina hatte zudem sehr großen Respekt vor mir. Frag mal @Corina :D )

      Es hat nichts mit Macho Kultur zu tun. Das wird oft aufgrund der hier lebenden Südlander angenommen und dieses Vorurteil existiert beispielsweise auch nur in den westlichen Ländern. Diese Kultur ist mehr darauf bedacht, eine Starke Bindung zur Familie aufzubauen. Eine Struktur zu ermöglich, die gerade Kindern die Möglichkeit gibt, ihre soziale und emotionale Psyche zu entwickeln ( Sprich: Empathie, Gewissen, etc.). Beispiel: Die strengsten Eltern der Welt. Gern können wir per PN darüber weiter ins Detail gehen. Da es hier wahrscheinlich den Rahmen sprengen würde.

      Es heißt auch nicht, dass in so einer Kultur grundsätzlich Frauen oder Kinder in eine Form gepresst werden. Das wird es sicherlich auch geben. Genauso wie es in Deutschland auch Fälle der Kindeswohlgefährdung oder sogar -vernachlässigung gibt. Wir können also nicht Verallgemeinern oder Pauschalisieren.

      Eine Frau wird beispielsweise sehr geschätzt, da sie die kocht, sich um die soziale Stabilität der Familie kümmert. Es ist auch nicht so, dass eine Frau nur macht, was Mann sagt. Eher lernt sie durch Empathie und Respektvollem Umgang ihre Wünsche und Ziele einzubringen und sogar durchzusetzen.

      Ein türkischer Bekannter sagte mal: Alle Welt glaubt, wie türkischen Männer haben das sagen, aber eigentlich wissen wir doch, die Frau hat die Hosen an ;)

      Ich hoffe, ich konnte dir deine Frage soweit beantworten.
      LG, May

      P.S.: diese Antwort habe ich mit Absicht hier rein gestellt, damit deine Frage auch hier nicht unbeantwortet bleibt. Wie gesagt, können wir gern per PN weiteren Austausch dazu führen.
      ich finde BDSM ist weeiiiiit mehr als eine sexuelle Neigung ABER Sex ist im BDSM meistens ein wesentlicher Bestandteil.

      Das erinnert mich ein bisschen an Diskussionen wie Kampfsport und Gewalt oder Zocken und Realitätsverlust. Die meisten Zocker spielen ja um sich VORRÜBERGEHEND aus dem real life auszuklinken und Kampfsport ist untrennbar mit Gewalt verbunden - das heisst aber nicht, dass man dadurch gewalttätig wird im Gegenteil, Kampfsportler, selbst jene die am Anfang gewalttätig und aggressiv waren, werden mit der Zeit immer friedlicher und ruhiger.

      Zum Thema - Ja BDSM ist viel viel viel mehr als eine sexuelle Neigung es ist eine wunderbare Welt über die man Bücher füllen kann. ABER für viele Praktizierenden führt BDSM zu Sex oder zumindest klarer Erotik. Es ist natürlich völlig daneben daraus zu schliessen, BDSM wäre nur Sex, das hat was von Bildung ist nur für Kinder.

      Sexualität ist halt so das Erste was einem bei BDSM in den Sinn kommt, weil es einerseits das Bild ist das am Stärksten nach aussen vermittelt wird und auch das ist, was die Meisten im BDSM suchen (UNTER ANDEREM!)
      ich meine BDSM ganz ohne sexuelle oder erotische Komponente ist möglich - man nehme die Ehe wie sie vor 50 Jahren üblich war, da hattest du eine D/S Beziehung bei der Sex oft eine sehr untergeordnete Rolle spielte wenn er überhaupt noch mit dem Ehepartner stattfand. Aber da nannte es auch keiner BDSM obwohl klare BDSM Elemente zu finden waren ^^

      Es ist auch schwer, wenn man auf BDSM steht, etwas aus dem Bereich BDSM zu machen ohne erregt zu werden. ich meine selbst wenn ich ohne sexuelle Hintergedanken ein Bunny fessele, auch wenn sie bekleidet ist, krieg ich trotzdem n Ständer. Du verstehst worauf ich hinaus will? ^^
      Es ist halt was erotisches und AUCH eine sexuelle Neigung. Natürlich gehört viel mehr dazu als das, aber ich denke für die meisten BDSMler ist die Sexualität ein wesentlicher Teil davon. So wie eine Ehe weitaus mehr ist als nur kostenloses ficken - aber das ist der wesentliche Bestandteil der Ehe der sogar gesetzlich verankert ist. Ohne Sex ist es eine Freundschaft oder WG.

      Arphen schrieb:

      Es ist auch schwer, wenn man auf BDSM steht, etwas aus dem Bereich BDSM zu machen ohne erregt zu werden. ich meine selbst wenn ich ohne sexuelle Hintergedanken ein Bunny fessele, auch wenn sie bekleidet ist, krieg ich trotzdem n Ständer. Du verstehst worauf ich hinaus will?
      Ist das wirklich so? Ich hatte beim gefesselt werden keinen Gedanken an Sex oder so. Und ich suche zur Zeit einen Rigger, und möchte jemand der eben keinen ständer bekommt...

      lg
      Mia
      Na unmöglich ist es nicht. Es gibt auch Männer die kriegen nie einen Ständer ^^ Nein ernsthaft, das ist bei MIR so. Aber ich denke es ist schwer, wenn man auf Fesselspiele steht, bei Fesselspielen nicht erregt zu werden. Es ist ja die Definition von "drauf stehen" dass es einen erregt. Sicher, es kommt auch auf den Hintergrund an, wenn es wirklich nur eine Kunstverschnürung ohne irgendwelche Hintergründe ist, geht das auch ohne Erregung

      Kellerkind schrieb:

      Ist das wirklich so? Ich hatte beim gefesselt werden keinen Gedanken an Sex oder so. Und ich suche zur Zeit einen Rigger, und möchte jemand der eben keinen ständer bekommt...
      ;)
      Ich glaube, man kann auch emotional erregt sein, ohne 'nen Ständer zu bekommen :) Zumindest mir gelingt das, aber vielleicht bin ich auch abartig ;)

      Auf alle Fälle: Bondage ist in Japan viel mehr eine richtige, zelebrierte Kunstform. Die Shibari-Artisten täten mir leid, würden sie permanent mit stark durchbluteter Körpermitte ihrem Handwerk nachgehen "müssen" ^^