Gedanken zur Nacht #2 - Kategorien

      Gedanken zur Nacht #2 - Kategorien

      Kategorien

      Ich lese ja nun hier seit einer Weile mit, aber ein Widerspruch löst sich einfach nicht auf, so viel und so lange wie ich auch lese und versuche zu begreifen.

      Es ist der Widerspruch zwischen "Ich suche meine Kategorie", "Es gibt so viele Facetten des BDSM" und "Ich habe meine Form von BDSM gefunden".

      Hä? Was will Easy nun wieder?

      Lasst mich versuchen das zu erklären.

      Der grundsätzliche Tenor des Forums ist ja "Jeder so wie er will" und "Wir lassen uns nicht in Schubladen packen". Trotzdem lese ich sehr oft Postings von Menschen, die sich fragen in welche Schublade sie passen, oder warum ihnen etwas im Kopf herumspukt, was eben nicht in diese, ihre Schublade passt. Und auf der anderen Seite von Menschen, die versuchen bestimmte Fantasien oder Verhaltensweisen zu kategorisieren.

      Und ich lese von Menschen, die ein Posting eines Mitglieds so interpretieren, dass es in ihr Bild von BDSM passt. Und damit auch irgendwie wieder eine Schublade aufmachen und das Posting des Mitglieds in diese Schublade einsortieren.

      Warum brauchen wir diese Schubladen und Kategorien? Warum fragen Mitglieder des Forums danach? Warum gibt es die Unterscheidung zwischen DS und SM in den Foren-Kategorien?
      Gibt es etwas zwischen schwarz und weiss? Ist BDSM nicht eigentlich genau das Grau zwischen schwarz und weiss?

      Warum suchen wir nach unserem Platz in diesem sexuellen Universum? Brauchen wir die Gewissheit etwas bestimmtes zu sein, weil wir nicht genau wissen was wir eigentlich sind?

      Sind wir verunsichert, weil wir in kein gesellschaftlich akzeptiertes Schema passen und suchen wir deshalb nach einem Begriff, der das bezeichnet. Und dann nach einem Begriff, der das noch ein bisschen genauer bezeichnet?

      Konkreter gefragt: Ist es SM, wenn sich Sub einfach nur Schmerzen wünscht? Oder ist es DS, weil sie/er sich Schmerzen wünscht um sich für etwas bestrafen zu lassen, was sie/er selbst an sich nicht mag? Ist es SM, wenn Sub sich wünscht, dass Top ihr/ihm den Wunsch erfüllt? Ist es DS, weil sie/er Dom ihr/sein Fehlverhalten gesteht und er Sub dafür bestraft?
      Was ist es, wenn Sub einfach sagt "Schlag mich bitte! Ich brauche das gerade!" Topping from the bottom?

      Ist Sub maso, wenn sie/er Schmerzen spüren will, oder ist sie/er devot, weil sie/ihn der Gedanke geil macht bestraft zu werden?

      Wer entscheidet das? Dom, Sub, Top, Bottom?

      Was meint ihr? Suchen wir die Kategorien? Brauchen wir sie? Helfen sie uns weiter? Oder stehen sie uns eigentlich im Weg?

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Turnschuh ()

      Ich glaube das ist sehr sehr simpel und grundlegend.

      Wenn ich mit dir über etwas rede, dann stelle ich mir etwas vor, und du stellst dir auch etwas vor. Wir füllen die Lücken aus über die nicht gesprochen wurde, mit unserer eigenen Fantasie.

      Schubladen und Kategorien transportieren eine Menge an Informationen, oft können sich viele etwas mehr oder weniger ähnliches darunter vorstellen ohne super viel darüber reden zu müssen was genau gemeint ist.

      Und ich bin neugierig auf Kategorien weil ich damit schnell herausfinden kann was es gibt, ich kann einfach nur darüber das ich versuche Kategorien zu verstehen sehr viel Dinge für mich entdecken und wenigstens in ihren Grundzügen verstehen.

      Es ist ein grober austausch aber es geht schnell, und es wird viel transportiert.

      Wenn ich dir sagen "Es ist eine D/s beziehung, sie ist nicht Maso, und die beiden leben es nicht öffentlich. Aber sie liebt es wenn er ihr Aufgaben gibt, mit festen Regeln hat sie aber Probleme." Dann hab ich extrem viele Dinge mitgeteilt. Die sind mit Sicherheit in deinem Kopf nicht so angekommen wie ich sie gemeint habe, aber ich hab nur die paar Worte gebraucht, und es ist bestimmt ziemlich nah an dem was ich gemeint habe oder? Oder nicht? ;)

      Kategorien und Schubladen sind einfach wahnsinnig praktisch wenn man versuch sich über irgendwas aus zu tauschen, und sich nicht ständig wiederholen möchte. Genau und detailliert zu sagen worüber geredet wird lässt sich damit nicht ersetzen, aber es ist toll um in wenigen Worten eine Bild zu machen.

      Kategorien und Schubladen sind einfach sehr faul, und sehr menschlich. ^^

      lg
      Mia

      EDIT:

      Wir trennen sogar. Oft wissen wir was eine andere Person mit ihrer Schublade sagen möchte, obwohl beide Personen sich einig sind das die Schublade blödsinn ist. Aber die "allgemeine Definition" ist bekannt, und lässt sich benutzen, obwohl beide selbst, für sich, eine andere Meinung haben.

      Das passiert oft durch Medien, wir wissen wie die Bildzeitung das gemeint hat, deswegen wissen wir was der etwas benachteiligte Dieter, fleissiger Bild-leser von nebenan, meint wenn er davon redet, auch wenn wir selbst etwas völlig anderes darunter verstehen.
      Ungefähr das was Du schreibst, liebe Mia aka @Kellerkind', war das was mir im Kopf herumging.
      Geben uns Kategorien Sicherheit? Ja, das tun sie manchmal. Aber ebenso oft schränken wir uns vielleicht damit ein. Gestalten Gedankenkonstrukte in unserem Kopf, nehmen uns vielleicht sogar gefangen darin und würden uns vielleicht viel freier bewegen, wenn wir einfach das tun oder wünschen, was wir in dem einen Moment brauchen. Ohne Rücksicht auf unsere jeweilige Rolle zu nehmen, ohne Rücksicht auf die Kategorie zu nehmen, in der wir glauben uns in unserer Partnerschaft zu befinden.

      Liebe Grüße
      Easy

      Easy schrieb:

      Ungefähr das was Du schreibst, liebe Mia aka @Kellerkind', war das was mir im Kopf herumging.
      Geben uns Kategorien Sicherheit? Ja, das tun sie manchmal. Aber ebenso oft schränken wir uns vielleicht damit ein. Gestalten Gedankenkonstrukte in unserem Kopf, nehmen uns vielleicht sogar gefangen darin und würden uns vielleicht viel freier bewegen, wenn wir einfach das tun oder wünschen, was wir in dem einen Moment brauchen. Ohne Rücksicht auf unsere jeweilige Rolle zu nehmen, ohne Rücksicht auf die Kategorie zu nehmen, in der wir glauben uns in unserer Partnerschaft zu befinden.

      Liebe Grüße
      Easy
      Ich glaube das tun wir. Ich zumindest. Und ich verwende viel mühe darauf ohne Vorurteile zu sein, und mich frei zu machen und offen zu bleiben, obwohl ich auch meine Schubladen habe. Ohne geht es nicht. Aber ich kann mir wenigstens sehr bewusst machen das das gerade eine Schublade ist in der ich denke, und mir extra viel mühe geben mich davon nicht zu sehr beeinflussen zu lassen.

      Aber irgendwo schränkt das bestimmt ein. Das ist auch oft bei Kreativität das Problem. Da braucht es dann neue Perspektiven, ein paar "aha" Momente. Dinge die für mich auf den ersten Blick keinen Sinn machen lassen mich einfach nicht los. Die machen Schubladen kaputt, wollen sich nicht einsortieren lassen und erweitern meinen Horizont. Aber am Ende des Tages mach ich dann doch nur eine neue Schublade auf.

      lg
      Mia

      Kellerkind schrieb:

      Aber am Ende des Tages mach ich dann doch nur eine neue Schublade auf.
      Echt? Machst Du das?
      Manchmal mache ich das auch. Aber oft denke ich auch, es kostet nichts, den Weg ein paar Schritte zu gehen und zu schauen wo er mich hinführt. In Bezug auf Kreativität.
      Und jetzt mache ich mal den Schritt zurück zum BDSM. Natürlich glaube ich eher einschätzen zu können, in welche Richtung es geht, wenn mir jemand sagt "Ich bin maso" oder "Ich bin devot". Aber wer kann das schon so genau für sich sagen?
      Sehr oft ist es doch irgendetwas dazwischen. Und dann? Lege ich meine Maßstäbe an und gehe als Sadist in die SM Ecke oder als Dominanter in die DS Ecke? Wo bleibt mein Gegenüber dabei?
      Ich glaube, gerade für Neulinge auf diesem Gebiet helfen Schubladen/Kategorien sich selbst ein bisschen besser einschätzen und zuordnen zu können. Sind es zu Anfang nur wenige Fächer, so kommen im Laufe der Zeit immer mehr dazu. Zuerst ist es vielleicht ein Schränkchen mit einigen, wenigen Schubladen, irgendwann dann ist es eventuell auf Größe eines Apothekerschranks angewachsen.
      Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen. Astrid Lindgren
      Schubladen erleichtern unsere Kommunikation und am Anfang vermitteln sie eine gewisse Sicherheit. Viele von uns kommen ja erst spät, nach missglückten Ehen oder Beziehungen hier an und wissen nun endlich was so lange gefehlt hat. Zu dem Zeitpunkt ist man einfach nur froh zu wissen (oder man glaubt zu wissen) was man ist und steckt sich selbst in eine Schublade um diese jahrelange Suche abzuschließen.

      Durchatmen, ankommen und jetzt "nur noch" den passenden Partner finden. Ich glaube den meisten ist klar, dass es bestimmt nicht bei der Anfangsschublade bleibt. Wer diese Neigungsfragebögen kennt und sie für sich ausgefüllt hat wird wissen, wie schnell sich die Eintragungen verändern können.

      Warum wir diese Dinge hier erfragen? Wei wir unsicher sind, uns austauschen wollen, die Suche doch noch nicht abgeschlossen ist und wir das am Sonntag beim Nikolauskaffee mit der Familie vermutlich nicht erörtern wollen und können ;)

      Wenn Unterhaltungen konkreter werden und ich dem Menschen vertraue ist die Frage was gefällt dirwesentlich sinnvoller als was bist du, dann kommt es nämlich nicht zu Missverständnissen und unterschiedliche Interpretationen ergeben kein Problem s.u.

      Easy schrieb:

      Konkreter gefragt: Ist es SM, wenn sich Sub einfach nur Schmerzen wünscht? Oder ist es DS, weil sie/er sich Schmerzen wünscht um sich für etwas bestrafen zu lassen, was sie/er selbst an sich nicht mag? Ist es SM, wenn Sub sich wünscht, dass Top ihr/ihm den Wunsch erfüllt? Ist es DS, weil sie/er Dom ihr/sein Fehlverhalten gesteht und er Sub dafür bestraft?

      Was ist es, wenn Sub einfach sagt "Schlag mich bitte! Ich brauche das gerade!" Topping from the bottom?

      Ist Sub maso, wenn sie/er Schmerzen spüren will, oder ist sie/er devot, weil sie/ihn der Gedanke geil macht bestraft zu werden?

      Easy schrieb:

      Was meint ihr? Suchen wir die Kategorien? Brauchen wir sie? Helfen sie uns weiter? Oder stehen sie uns eigentlich im Weg?
      Wir suchen Kategorien, weil der Mensch immer gern einer Gruppe angehören möchte. Einer Gruppe, die wie er denkt und fühlt.
      Wir brauchen Kategorien, weil sie uns das Leben erleichtern können.
      Wie Kellerkind schon schrieb, kann man durch eine Kategorie mit einem Wort ganz viel sagen, ohne sich ellenlang erklären zu müssen.
      Problem: Nicht immer versteht das Gegenüber wirklich dasselbe unter einer bestimmten Kategorie.
      Und gerade daher denke ich, dass uns Kategorien zwar weiterhelfen, aber auch im Weg stehen können. Deswegen darf man Kategorien auch nie zu strikt verwenden.
      "Wir streben mehr danach, Schmerz zu vermeiden als Freude zu gewinnen" Sigmund Freud
      Gerade die Kategorien D/s bzw. S/M sind für mich Himmelsrichtungen auf einer imaginären Werte-Landkarte.

      Wenn jemand sagt, er lebt Im Nordwesten Deutschlands, ist das nicht exakt, aber in vielen Fällen ausreichend für ein Gespräch.
      Wenn ich nun jedoch sage, ich wohne bei N52° 30' 22.968" E13° 20' 10.644" ist das zwar sehr exakt, aber für die meisten Gespräche nicht wirklich praktikabel.

      Entsprechendes gilt für alle Begriffsbezeichnungen. Und wenn man nicht von Zäunen umgeben ist, kann man sich sogar auf dieser Landkarte bewegen.
      Nicht Sieg sollte der Zweck der Diskussion sein, sondern Gewinn.
      - Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist