Das Miststück

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      Das Miststück

      Der ein oder andere kennt die Geschichte vielleicht schon. Ich habe sie vor vielen Jahren geschrieben und auch schon anderwo veröffentlicht.
      Die Geschichte darf weiterverbreitet werden, aber bitte unverändert und mit dem Hinweis, dass sie von mir stammt.



      Das Miststück


      (von Melac)

      Fast teilnahmslos steht er an der Bar. Du hast ihn längst bemerkt. Zwar ver­suchst Du es zu verbergen, aber ihm machst Du nichts vor.

      Es ist faszinierend, Dir zuzusehen. Du scheinst die Verheißung in Person. Jede Bewegung Deines Körpers ist gekonnt inszeniert. Du beherrschst ihn ebenso, wie Du den Blick Deiner großen grünen Augen kunstvoll in Szene setzt. Du bist das Licht und die Männer um Dich herum sind die Fliegen. Sie wissen ge­nau, kommen sie Dir zu nahe, verbrennen sie. Doch die Verheißung ist zu groß, um Fern zu bleiben.

      Ihre Blicke folgen Dir, wohin Du auch gehst. Sie kommen Dir auffällig unauf­fällig Nahe, versuchen Dich aus Versehen flüchtig zu berühren, Dir auf der Tanzfläche zu begegnen. Sie hoffen, ja betteln fast um Deine Gunst und sei es nur ein gnädiger Blick aus Deinen Augen. Wären sie Hunde, sie würden dir schwanzwedelnd die Füße lecken und winselnd um ein herablassendes Strei­cheln bitten.

      Du bist da, so nahe und doch unerreichbar. Du spielst das Spiel, das du be­herrschst, das Du liebst. Es macht Dir Spaß, sie betteln zu lassen. Es befriedigt Dich, wie sie sich freiwillig erniedrigen, um Dir zu gefallen, wohl wissend, daß sie Dich nicht bekommen, keiner von Ihnen.

      Doch tief in Dir weißt Du, daß auch Du suchst. Wann kommt er endlich? Der, der Dich erkennt, der von Deiner Sehnsucht weiß, der in Deinen Augen richtig lesen kann, für den Du ein offenes Buch darstellst? Einige Male dach­test Du, er hätte Dich gefunden. Doch als es ernst wurde, lag er doch wieder vor Dir und bettelte. Und Du, die Du eben noch zu Ihm aufgeblickt hat­test, mußtest Dich plötzlich beherrschen, um nicht zu lachen.

      Es ist heute Nacht wieder wie immer. Keiner ist da, der es wagt, Dich zu neh­men. Keiner, der Dein eigentliches Wesen erkennt, Deine Sehnsucht nach Stärke, nach Beherrschung und nach Geborgenheit. Keiner ist da, dem Du Dich freiwillig unterwerfen willst, dem Du Dich ausliefern willst, zwar angster­füllt, aber doch unendlich zufrieden. Wirklich keiner? Der arrogante Typ an der Bar mit seinen graublauen Augen, der könnte es sein. Doch sein Blick weilt in unendlicher Ferne und bemerkt Dich nicht einmal. Aber Du wirst keine billige Kopie Deiner Verehrer werden und ihn umschwirren. Nein! Ganz sicher nicht!

      Stunden später bist Du am Gehen. Du hast Dich wieder Mal amüsiert in die­ser Nacht. Amüsiert über die Hunde und Speichellecker. Es war ein billiges Amüsement. Innerlich bist Du erfüllt von einer großen Leere, überzeugt von der Sinnlosigkeit Deines Tuns. Nachher wirst Du wieder allein in Deinem Bett liegen. Aber besser allein, als mit einem gefügigen Hündchen, denkst Du.

      Da ist er wieder. Dein Herz schlägt bis zum Hals. Teilnahmslos steht er gelas­sen im Freien. Nur seine Augen. Erst jetzt siehst Du, wie hart, aber auch wie wissend, wie zärtlich sie sind. Sein Blick trifft Dich und Dir werden die Knie weich. Du willst Dich an Ihm vorüberschleichen, doch er macht nur einen Schritt und sagt mit leiser Stimme: "Komm mit!" Und Du gehst mit, weißt nicht wie Dir geschieht. Willenlos folgst Du ihm.

      Sehr viel später, inzwischen hat er Dich geliebt, hemmungslos und wild, ohne zu Fragen. Du liegst in seinen Armen und weinst. Dein Herz, das Du so lange verschlossen hattest, ist geöffnet von ihm für ihn. Lange weinst Du, er hält Dich fest, wissend, warum Du weinst. Wie gut das tut, endlich frei zu sein. Frei von Verantwortung, frei von gekonnt gespielter Stärke, frei, Dich ganz fallen zu lassen. Wie gut das tut, seine Stärke zu spüren, seine Sicherheit, seine Strenge und seine Güte. Die vergangenen Jahre strömen aus Dir heraus. Ein Schluchzen und Zittern läßt Deinen Körper wieder und wieder erbeben. Ir­gendwann wirst Du ruhiger. Es dämmert bereits. Mit einem Schlag setzt das Konzert der Vögel ein, die den kommenden Tag ahnen.
      Er hält Dich fest, küßt Deine Tränen und sagt nur zärtlich:
      "Mein Miststück!"
      SMile
      Melac