"Jederzeit widerrufbare Zustimmung" im D/S-Kontext

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

      "Jederzeit widerrufbare Zustimmung" im D/S-Kontext

      Ich frage mich: Was bedeutet der (juristisch oft bedeutsame) Begriff "jederzeit widerrufbare Zustimmung" in verschiedenen Ausprägungen einer D/S-Beziehung.

      Ich bin gerade in einem anderen thread sozusagen über meinen eigenen diesbezüglichen Gedanken gestolpert und kann den nur sehr teilweise für mich festmachen, bin daher auf Eure Mitwirkung angewiesen.

      Was ich mir dazu denke, hat seine Basis einerseits natürich nur in meinen persönlichen Erfahrungen und einer fundierten österreichischen juristischen Ausbildung ...

      Mich interessieren daher insbesondere 2 Richtungen der Erweiterung meiner Gedanken:
      t
      1) Eure persönlichen Erfahrungen
      2) fundierte Ausführungen zur deutschen oder sonstigen "ausländischen" Rechtslage ...

      Für mich und nach der österreichischen Rechtslage stellt es sich wie folgt dar:

      Zur "Einleitung":

      Viele an sich verbotene oder gesellschaftlich verpönte (sittenwidrige, moralwidrige) Handlungen können durch eine Zustimmung aller Beteiligten sozusagen "geheilt" werden. Sie werden dann - auch allgemein - zumindest von toleranten Menschen, aber eben oft auch vom Gesetz - nicht als verboten, sitten- oder moralwidrig angesehen.

      Der rationelle Grund für diese Entscheidung der Regelwerke liegt darin, dass von außen vorgegebene Regeln (gesetztes Recht, Moralvorstellungen, etc.) von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, nur ein Mindestgerüst an zwischenmenschlichen Verhaltensmustern festlegen wollen, innerhalb dessen sich ein Mensch selbstbestimmt bewegen können soll. Diese "Selbstbestimmung" äußert sich im Normalfall eben dadurch, dass, wenn von einer bestimmten Aktion oder Interaktion nur eine abgeschlossene Gruppe von Menschen (sagen wir üblicher Weise 2, außer man findet Gefallen an größeren Gruppen ... :D ) betroffen ist und jede Person innerhalb dieser Gruppe damit einverstanden ist, von den vorgegebenen Regeln abgewichen werden kann.


      Sieht man das so allgemein, lassen sich damit sogar die extremsten Situationen zufriedenstellend beschreiben:
      Wer lächelt, statt zu toben, ist immer der Stärkere. Laotse
      Ein ganz extemes Beispiel wäre z.B., warum Selbstmord und Beihilfe zum Selbstmord trotz Einvernehmens (vgl. dazu insbesondere auch immer wieder die aufflammende Diskussion um "Sterbehilfe", die mit "moralischen" Prinzipien schwer, mit diesen Grundsätzen aber doch immer wieder "abgewendet" werden kann) verboten bleiben: Die Tötung eines Menschen betrifft niemals nur diesen Menschen alleine. Es gibt immer eine Reihe anderer Menschen, die rundherum betroffen wären (Familie, Arbeitgeber, in weiterer Folge das Sozialversicherungssystem und damit ALLE an diesem Beteiligten ...). Es ist, unabhängig von allen moralischen Erwägungen UNMÖGLICH, all deren Zustimmung einzuholen ...

      Gänzlich anderes Beispiel (z.B. aus dem Insolvenz-Strafrecht): Grundsätzlich ist es jedem Menschen erlaubt, mit seinen Finanzen so umzugehen, wie er es möchte. Auch einen einzelnen Gläubiger nicht zu bezahlen, ist nicht strafrechtlich verboten - denn er hat Möglichgkeiten, sich zur Wehr zu setzen (Zahlungsbefehl, Exekution). Es ist aber bei Strafe verboten, sein Vermögen vorsätzlich so zu verschleudern, dass es nicht ausreicht, alle Gläubiger zu bezahlen (vorsätzliche Krida) und damit einen Konkurs zu verursachen. Warum? Was ich mit meinem Geld mache, ist so lange meine Sache, so lange ich nicht endgültig verhindere, dass andere ihre Forderungen gegen mich geltend machen können ...

      Vorläufig genug der Rechtstheorie.

      Basis einer D/S-Beziehung ist - jedenfalls aus meiner Sicht - dass sub einen gewissen Bereich seiner/ihrer Macht an Dom abgibt. Was dabei unter Macht zu verstehen ist, interpretieren wir offenbar alle sehr verschieden (siehe dazu die einschlägigen Threads ... ). In rechtlicher Hinsicht ist die Beantwortung dieser Frage vermutlich (ausnahmsweise) einfacher als in den Bereichen des "täglichen Lebens". Hier ist unter "Macht" eben genau das oben beschriebene zu verstehen - die Möglichkeit, an sich allgemein anerkannte Normen (solche des Geseztes, solche der Moral, etc.) für sich abzuändern, solange es keine unbeteiligten Dritten betrifft.


      Hier kommen wir zu den Bereichen, die viele von uns interessieren und die viele von uns auch schon beschäftigt haben:


      Unter solche "Normen" fallen nämlich z.B. das Verbot der (leichten) Körperverletzung ... diverse Einwilligungen in die freie Verfügung beschränkendes Verhalten (sowohl was Handlungen, Unterlassungen als auch z.B. Finanzielles betrifft ...). In Wahrheit fallen hierunter sogar Dinge, die als "Menschenrechte" in Verfassungsrang gehandelt werden, solange darauf nur wirksam verzichtet werden kann (bis hin zur Meinungsfreiheit ... !)



      Die Rechtsfigur des "jederzeitigen Widerrufs":

      Sämtliche der oben genannten Rechte sind, weil es auch das Recht auf Selbstbestimmung ist, aus dem sie alle abgeleitet werden, grundsätzlich unverzichtbar. Das ist kein Widerspruch zum oben Gesagten, die Aufmerksamkeit des geneigten Lesers werde auf das unscheinbare Wort "grundsätzlich" gelenkt: Wenn ich im Einzelfall meine Zustimmung erteile, eine Norm (eine "Konvention") außer Kraft zu setzen, so habe ich ja eben von meinem Selbstbestimmungsrecht in diesem Fall Gebrauch gemacht - und soweit ist alles OK.


      Was ich aber eben nicht kann, ist grundsätzlich verzichten. Also wie auch immer man es beleuchten möchte:

      *) Auf das Selbstbestimmungsrecht selbst als Solches verzichten;
      *) auf sich aus diesem Recht ergebende einzelne Rechte für die Zukunft verzichten (Gesetze nennen so etwas mitunter "im Voraus" verzichten oder "Vorausverzicht")

      geht (im Normalfall) nicht. Im Normalfall bedeutet: sofern das Gesetz nicht ausdrücklich Ausnahmen vorsieht - und das tut es - außer im "vertragsrechtlichen" Bereich kaum.

      Die erste Erkenntnis daraus ist (für alle die darauf stehen - "leider") schon mal: Sämtliche Eurer "Sklavenverträge" oder sonstigen Zustimmungsschriftstücke, die einen - wenn auch nur teilweisen - generellen Verzicht auf das Selbstbestimmungsrecht oder einen Vorausverzicht auf zukünftige daraus erfließende Rechte enthalten, könnt Ihr - aus juristischer Sicht - getrost in der Rundablage ablegen. Sie mögen (was ich gut nachvollziehen kann) einen "Kick" geben, Ordnung ins Leben bringen, für Euch eine Symbolik beinhalten, aber im Sinne gesellschaftlicher Regelwerke (Gesetz UND Moral) sind sie ein "Nichts".

      Hier kommt der Begriff des "jederzeitigen Widerrufs" ins Spiel - und da wird es spannend (ich hoffe, nicht nur für mich ... ). Die Möglichkeit dieses "jederzeitigen Widerrufs" einer einmal gegebenen Zustimmung ist nichts anderes als die Konsequenz des oben Gesagten. Wir können eben für die Zukunft nicht einmal teilweise auf unser Selbstbestimmungsrecht verzichten (und das ist im Ergebnis auch gut so! Andernfalls wäre nämlich JEDE Art ECHTER Sklaverei im altertümlichen Sinn Tür und Tor geöffnet - dnen wer würde sich nicht für den "richtigen" Preis verkaufen ... ?). Tun wir es doch, z.B. indem wir (was ja notwendiger Weise immer - zumindest - für die nahe Zukunft Wirkung hat) einen Teil unserer Macht übertragen oder übertragen bekommen (man kann ja kaum sagen, Du darfst mich bis "genau jetzt" beherrschen und in der nächsten Sekunde nicht mehr - würde rein praktisch nicht funktionieren), ist das juristisch gesehen nur so zu "retten", dass wir uns eben diesen unsäglichen "jederzeitigen Widerruf" vorbehalten. Denn: "Du darfst, BIS ICH SAGE: STOP!" ist eine durchaus auch juristisch legitime und anerkannte zeitliche Einschränkung, die das Problem des "Vorausverzichts" umgeht.

      Es besteht dabei (rechtstechnisch) sozusagen die Fiktion, dass durch den Widerrufsvorbehalt die Zustimmung so lange in jedem Augenblick "erneuert" wird, bis eben der Widerruf erfolgt - und solange dieser Vorbehalt besteht ist wiederum - alles in Ordnung.
      Wer lächelt, statt zu toben, ist immer der Stärkere. Laotse
      Das "Problem":

      Zumindest manchen von uns, die in sehr "tiefe" D/S-Bereiche vorgedrungen sind, sollte folgendes Problem schon einmal aufgefallen sein:

      Die Möglichkeit zum "jederzeitigen Widerruf" setzt eine permanente Möglichkeit zur freien Willensbetätigung von Sub voraus! Wenn wir das ernst nehmen (und glaubt mir, ein Gericht würde das im Falle einer notwendigen rechtlichen Verantwortung tun), setzt dies weiters voraus, dass Sub zum fraglichen Zeitpunkt weder objektiv (z.B. durch die sprichwörtliche "angesetzte Pistole" - das ist für uns "eh klar"), noch - und jetzt wird es schwierig - subjektiv daran gehindert ist, ihren Willen frei zu entfalten.


      Die subjektive Behinderung (das impliziert eben das "subjektiv") ist von Mensch zu Mensch verschieden und insbesondere auch vom gerade vorherrschenden mentalen Zustand abhängig! Sie kann zum Beispiel durch eine Abhängigkeit (finanziell, sexuell, ...) genauso behindert sein wie durch das subjektive Gefühl, die Macht genau über diese Entscheidung abgegeben zu haben und quasi nicht opponieren zu "dürfen".


      Und da wird das Problem für mich sehr schwierig.


      Folgende Situation einer (zugegeben schon relativ extremen) D/S-Beziehung:


      Sub möchte sich Dom völlig schenken, es kickt sie, ihre Wünsche Dom völlig unterzuordnen. So weit so schön - ein Zustand, mit dem ich, wie ich zugeben muß, selbst sehr viel anfangen kann. Von dem ich mich also durchaus "betroffen" fühle ...


      Dom vermittelt (bewußt oder unbewußt) den Wunsch, dass es ihm ebenso wichtig ist, dass sich ihm Sub völlig unterordnet. Dass sie, soweit sie nur irgendwie kann, seinen Wünschen nachkommt. Und einer seiner Wünsche ist nunmal, dass sie ihm keinesfalls widerspricht und versucht, allen seinen Wünschen nachzukommen. Das ist - wohlgemerkt - einvernehmlich. Etwas, das beide wollen. Das wir - glaube ich - gemeinschaftlich für durchaus "wünschenswert" halten. Ein Topf halt, der seinen Deckel gefunden hat - und umgekehrt.

      Wieviel Wert hat in einer solchen Situation (juristisch und tatsächlich!) das "Recht" auf "jederzeitigen Widerruf"?

      Es ist im Grunde das, was wir in weniger juristischen Diskussionen als meta consent bezeichnen. Die "generelle" Einwilligung in diese Situation. Etwas, das es (siehe oben) juristisch eben nicht gibt!


      Es wurde ja schon öfter, z.B. von @Gentledom soweit richtig festgehalten, dass meta consent keine juristisch taugliche Einwilligungsgrundlage ist. Das ist so weit völlig richtig (siehe eben oben). Trotzdem sind wir sehr oft sehr schnell dabei, auch rechtswidrige "Praktiken" als "OK" zu sehen, wenn nur die beiderseitige Zustimmung vorhanden ist. Und so schönfärblerisch wir dann auch auf die Möglichkeit des "jederzeitigen Widerrufs" verweisen: Wir müssen uns dessen bewußt sein, dass es die manchmal einfach faktisch nicht gibt!


      Ich nehme da jetzt ein Beispiel aus dem Thread, der mich zu diesem hier "inspieriert" hat (Es war dieser hier: "Verantwortung/Entscheidungsgewalt abgeben = Dom muss Gedanken lesen"):

      Hier wurde (für sich durchaus "unkritisch") die Meinung vertreten, dass Eingriffe in das "finanzielle Gebahren" des sub "OK" seien, wenn der so ganz generell seine Zustimmung dazu erteilt hätte und es wurde - wie zu erwarten war - auf die Möglichkeit des "jederzeitigen Widerrufs" hingewiesen? Alles in Butter ? Nein!

      Denn eingebettet war die ganze Diskussion in die Grundthematik des Thread, kurz zusammengefaßt: Ein "Leben auf Augenhöhe", aber "wann immer ich will, greife ich ein".

      Die moralischen Konsequenzen dieser Sichtweise wurden und werden im anderen Thread ja hinreichend diskutiert - hier will ich nur die rechtliche Seite beleuchten.

      Dieses "wann immer ich will, greife ich ein" (verbunden mit der übrigen Haltung des dortigen TE, als "Summe" aus seinen zahlreichen Meldungen im Thread zusammengefaßt) legt für mich zumindest die Art eines 24/7 Modells, bei dem Sub voraus auf praktisch alle ihre Rechte verzichtet nahe (arg.: Wann immer ich will, mow. auch was immer ich will ...). Gehen wir, ohne das dem dortigen TE konkret zu unterstellen, weiter von diesem Gedankenmodell aus (mit dem ich mich ja, wie schon oben "geoutet" durchaus anfreunden kann), stellt sich doch aber die Frage: Was ist ihre "Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs" wert?

      Kehren wir zurück zur Grundannahme: Die "Fiktion" dieser "vorab gegebenen Zustimmung mit jederzeitiger Widerrufsmöglichkeit" ist ja, dass sub seine/ihre Zustimmung quasi in jedem Augenblick "neu" gibt, so lange bis sie sagt: Ab jetzt nicht mehr (das ist eben der "Widerruf"). Das heißt aber doch andererseits, dass sie in jeder Sekunde auch subjektiv die Möglichkeit haben muß zu sagen: ab jetzt nicht mehr! In jedem anderen Fall ist, im Umkehrschluß, die in diesem Augenblick fingierte Zustimmung (mangels Widerrufsmöglichkeit gerade in diesem Augenblick) eben nicht mehr da und die "Widerrufskarte" sticht nicht mehr!


      Ist diese Situation "unrettbar", D/S in dieser Ausprägung (und andere Beispiele, die mir gleich unten einfallen werden) generell mangels wirksamer Zustimmungsmöglichkeit "verboten"? Ich glaube nicht. Ich glaube aber, dass es zusätzlicher Begründungen für die konkete Zustimmung (auch) in diesen Augenblicken bedarf!

      Wir müssen also das "Meta consent" Konzept aus juristischer Sicht meiner Ansicht nach nicht unbedingt verwerfen - aber wir müssen es überdenken!

      Fangen wir bei den "einfachsten" Beispielen an:

      Nämlich dort, wo eigentlich noch ganz wenig "echte", weil "mentale" Unterwerfung dabei ist.

      Gehen wir also von einer "Spielbeziehung" und einer harmlosen körperlichen Betätigung aus - hier ist ein Safeword sicher eine geeignete Widerrufsmöglichkeit.

      Das gilt in 2 Fällen nicht:

      1) Sub hat einen geeigneten Knebel im Mund - dann ist die Situation noch durch ein vereinbartes Zeichen rettbar (also: nicht vergessen, das Zeichen!)

      2) Das ist die weniger "humoristische" und ernstere Ausnahme: Einvernehmlich ist klar, dass es kein Safeword gibt. Ich gebe zu: Zweiteres ist genau meine Spielart (über die Gründe können wir uns gerne in einem anderen Thread unterhalten - und dazu gibt es ja auch schon genug Threads).


      Gut, bei Ausnahme 2 haben wir "unmerklich" bereits deutlich den Bereich der Spielbeziehung verlassen (hoffentlich ...) - jedenfalls bei mir ist das so. Denn die Abgrenzung der Verantwortung bei Spielbeziehungen ohne Safeword kommt mir persönlich und subjektiv nicht machbar vor - deshalb lasse ich mich (persönlich) auf Spielbeziehungen nicht ein, will ihnen damit die Berechtigung aber natürlich nicht absprechen ...


      Bleiben wir also bei der Möglichkeit: Safeword gibt es keines.

      Und nehmen wir (wo wir den Bereich der Spielbeziehungen bereits verlassen haben), eine Möglichkeit 3 dazu:

      3) Der Eingriff erfolgt auf eine Weise, dass er durch "einfache Kommunikation" praktisch nicht zu stoppen ist. Beispiel: Sub und Dom wollen einvernehmlich auf "Widerrede" verzichten. Das kann sich durch viele oder wenige Lebensbereiche ziehen - der Grundtenor ist aber einfach, Sub "darf nicht" nein sagen. Das kann durchaus gewollt sein und stellt mir das bitte nicht in Abrede (sonst funktionieren all meine Überlegungen nicht - und ich schwöre Euch, es KANN gewollt sein - ICH will es!).

      Analysieren wir also diese "interessanten" Möglichkeiten ad 2) und ad 3):

      Wie können die Akteure in diesem Fall die Situation juristisch "retten"? Wie kann man also sicherstellen, dass Sub ihr "Widerrufsrecht" wahrnehmen kann, ohne dass sie ein Safeword benutzen kann und ohne, dass sub im konkreten Fall einfach sagen kann: "Das will ich so nicht". (Sagt bitte nicht "das kann nicht sein". Das KANN sein. Nicht, weil es Dom "sagt" oder "gebietet", sondern weil es sub mehr schmerzen würde, das zu sagen, als die Folgen zu ertragen! Das wird wahrscheinlich öfter vorkommen, als wir alle uns zugestehen wollen). Nur weil "etwas anderes noch mehr schmerzt", ist das aber noch lange keine "Zustimmung"! Ich wette, dass jeder von uns diese Situationen des "geringeren Übels" kennt.


      Ich meine damit nicht ein Gefühl des "Unwohlseins", das gehört - meiner Meinung nach - dazu. Auch (jedenfalls für meine sub) ein ihren Verhältnissen angemessenes Maß an körperlichem Schmerz, das ihr nicht unbedingt gefallen muß. Verhaltensregeln, die sie nicht unbedingt verstehen muß, etc. Aber eindeutig nicht mehr etwas, das sie grundsätzlich als unerträglich ablehnen würde aber als "kleineren Schmerz" z.B. gegenüber einer Trennung von mir "gerade noch akzeptieren" würde ...


      Ich weiß, dass ich überzeugend genug sein kann, dass sie so etwas nie von sich aus ansprechen würde. Wie kann ich also aus der "Widerrufsfalle" kommen.


      Meine ganz persönliche Lösung zu diesem Problem ist (sie ist keinesfalls ganz "sauber" und ich bin in diesem Punkt sicher auch "kritikfähig" - aber so lange ich keine bessere Lösung habe, bleibe ich bei dieser):
      Wer lächelt, statt zu toben, ist immer der Stärkere. Laotse
      In allen Punkten, wo ich weiß, dass sie (aus welchen Gründen auch immer) sich nicht gegen eine von mir getroffene Entscheidung aussprechen würde (konkret sind das fast ALLE Entscheidungen, die mir einfallen; ich mache es mir da keineswegs "leicht"), muß ich für sie überlegen, ob aus ihrer subjektiven und objektiven Sicht ein Einspruch/Widerruf vernünftig wäre. Das ist ein wesentlicher Kernteil von dem, was ich mit "Verantwortung übernehmen" meine, aber in anderen Diskussionen leider nicht ausdrücken kann, weil es einfach "kürzer" nicht geht.


      Das ist durchaus schwierig - das muß unter Außerachtlassung eigener Interessen rein aus Ihrer Sicht beurteilt werden. Wenn ich mir bei der Abwägung auch nur "nicht sicher" bin, muß ich das Thema von mir aus zur Sprache bringen und zwar so, dass Ihr ein Widerspruch möglich ist, ohne mir dabei zu widersprechen, ohne dass sie also ihre Zielsetzung verletzen muß, mir eben nicht zu widersprechen.


      Wie kann das gehen: z.B. in dem man (ich bin da "listig") ganz unverbindlich und vorläufig noch "unpersönlich" solche Dinge bespricht und "heraushört", wie ihre Meinung dazu so ist. Aber nicht nur ihre "Meinung", ihre Wünsche, ihrer Erwartungen. Eben alles, was man braucht, um seriös abzuschätzen, ob sie, hätte sie die "freie, von mir unbeeinflußte Wahl", widersprechen würde oder nicht.


      Das sind um Gottes willen keine "ja/nein" Fragen, das ist in diesem Fall "viel zu platt". Ich dürfte mich nicht beschweren, würde ich "ja/nein" Fragen stellen, wenn ich zur Antwort bekäme: "Wenn Du es wünscht ..." Ehrlich gesagt wäre das ja, verdammt nochmal, genau die Antwort, die ich mir von meiner Sub erwarte! Und genau diesen "Teufelskreis" gilt es bei der "Widerspruchserforschung" ja zu überwinden ...


      Das "Üble" an der Sache ist, dass es dafür kein "Rezept" gibt, außer vielleicht, dass man sich darum wahrscheinlich mehr bemühen muß, als um alles andere. Man muß bei jeder Dom/Sub Konstellation neu diesen "Trick" finden, wie man sich "unverfänglich" über solche Sachen unterhalten kann, um die ehrliche, vom D/S-Verhältnis "ungefilterte" Meinung von Sub zu erforschen. Das heißt jetzt nicht, dass ich dieser immer folgen würde/müßte - aber es heißt, dass ich die in die Entscheidung, ob Sub widersprechen würde, wenn sie "frei" entscheiden könnte, einfließen lassen muß.


      Ich weiß, dass auch das gewaltig "hinkt" und dass es - im Fall des Falles - äußerst bemühter juristischer Argumentation bedürfte, um das als "Entschuldigung" für eine Rechtsverletzung zu argumentieren. Aber zumindest was die Moralkonventionen betrifft, fühle ich mich damit "im Recht".

      Was ich damit primär sagen will: Die Frage an eine (relativ stark im D/S-Verhältnis verankerte) Sub: "Willst Du X oder Y?" oder schlimmer
      "Würdest Du X oder Y für mich machen?" ist kein Freibrief, jedenfalls keine ernstliche und wirksame Zustimmung, wenn nicht aus dem gesamten zu beachtenden Kontext sich ergibt, dass Sub entweder die Konsequenzen vollständig bewußt sind und sie sich bewußt und frei dafür entschieden hat (und nicht etwa nur Dom gefallen oder ihm nicht widersprechen will) oder Dom unter eigenverantwortlicher, ernstlicher Überlegung aus Sicht der Sub zum Schluß kommt, dass das Verlangte/Begehrte für sie unschädlich, nützlich oder förderlich ist und sie daher im Falle eines bestimmungsgemäßen Gebrauchs ihrer unbeeinflußten Vernunft diesem Begehr zugestimmt hätte.
      Wer lächelt, statt zu toben, ist immer der Stärkere. Laotse
      Widerrufsproblematik, ein guter Gedanke. Ich habe diesen auch vor einiger Zeit im Kontext Debris aufgeworfen. Dort kann Sub zwar jederzeit das Safeword sagen, dies hätte dann aber, ab einem gewissen Grad dieser Spielart, die Konsequenz, dass sich beide dann automatisch trenne und die Beziehung aufgehoben wird (Alles-oder-Nichts-Prinzip). Mit dieser Bedingung wird ein Hindernis (psychischer Druck, Verlustangst) aktiv durch den Dom aufgebaut den Widerruf zu nutzen, es fehlt also die freie Entscheidungsgewalt und es erfolgt eine Freieentscheidungsunterdrückung.

      Dies ist aber auch ein Extrembeispiel, das von dem weiter überwiegenden Teil der BDSM Szene abgelehnt wird.

      Man kann aber nun nicht in jedem subjektiv empfunden Übel eine Beschneidung der Entscheidungsgewalt sehen. Wenn Sub das Safeword also konsequenzlos (= keine Sanktion durch Dom) benutzen kann, ist es legal, sofern sie eben als in diesem Kontext voll geschäftsfähig eingestuft wird. Ich ertrage das nun im meine-r/m Herr-in/n zu gefallen ist eine Art der Dispositionsfreiheit und keine Beschränkung dieser.

      Problematisch wird es auch, wenn Dom auch nur einmal die Nutzung des Safewords sanktionieren oder auch nur dies ankündigen würde, denn dann würde Sub womöglich aus Angst vor einer weiteren Sanktion nicht mehr frei in ihrer Entscheidungsgewalt. Daher ist es mehr als sinnig, nachdem ein Safeword gesagt wurde das Spiel (vorerst) abzubrechen und nicht weiter zu spielen, denn in der Session könnte solch ein Missverständnis womöglich aufkommen.

      Kurz solange man Sub nicht das Recht nimmt sich frei zu entscheiden geht sehr, sehr viel im Bereich des einvernehmlichen BDSM und das ist gut so.
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff
      Richtig. Will ich auch nicht in Abrede stellen. Auch ich finde das sehr gut so. Und ich sehe das eben als Ausfluß dieses Selbstbestimmungsrechts, das wir - Gott sei Dank - haben. Ist ja keineswegs bei allen Regimen auf der Welt so, dass die Bürger das hätten ...

      Die Einstufung als "voll geschäftsfähig" ist eben das zentrale Thema, dessen ich mir nicht so sicher bin (darum dreht sich eigentlich mein ganzer Beitrag, der zugegebener Maßen wieder mal viel, viel zu lang geworden ist ... :).
      Wer lächelt, statt zu toben, ist immer der Stärkere. Laotse
      Vielleicht noch eine Ergänzug dazu:

      Natürlich ist darauf hinzuweisen, dass eine gefahrlose Benutzung des Safe-Words 99% der Widerspruchsproblematik lösen kann. Ich bin auch der Meinung, dass immer dort, wo ein Safeword ohne psychischen Druck (vgl. das von @Gentledom genannte Beispiel Debris) verwendet werden kann, das die einfachste und sicherste Möglichkeit ist, das Widerspruchsrecht sicherzustellen.

      Ich beschäftige mich vor allem deshalb tiefer mit der Materie, weil ich eben, wie schon gesagt, in einer tiefgehenden D/S-Beziehung generell ohne Safeword agiere. Deshalb bin ich wahrscheinlich in diesem Bereich empfindlicher und differenzierter, als es Leute sind, die die - durchaus sinnvolle - Safeword-Möglichkeit nutzen.

      Für mich persönlich ist es aber ein (wunderschönes) D/S-Level, wenn Sub eben ihre Macht so weit in die Hände des verantwortungsbewußt mit ihr umgehenden Dom legt (und beruhigt legen kann), dass es dieses "Rettungsankers" nicht bedarf. Das ist für mich dann schon noch ein wesentlich stärkeres Gefühl der Verbundenheit, des ausgeliefert Seins einerseits und Verantwortungübernehmens andererseits ... und das ist für mich halt der Ausgangspunkt der Frage: Wie kann ich in diesem spezifischen Fall, also ohne Safeword und im Bewußtsein, dass die Sub, wenn es nicht schon um schiere Existenzängste ginge, sich eher die Zunge rausreissen würde, als mir zu widersprechen, trotzdem sicherstellen, dass das Widerspruchsrecht juristisch wirksam noch ausgeübt werden kann. Zu dieser Situation (und nur zu dieser Situation) sind meine letzten Ausführungen gemacht.

      Ich vergesse leider gelegentlich tatsächlich (und insofern wäre jeder "Rüffel angebracht"), dass es auch andere Level von D/S gibt, in denen Safewords z.B. selbstverständlich sind, alles im Vorhinein abgesprochen wird etc. Das sind natürlich alles legitime Spielarten. Leider sehe ich die aus meinem "tiefen Keller" der doch recht "extremen" Neigung manchmal nicht ausreichend - dafür mal ein generelles "Entschuldigung an alle". Ich weiß schon, dass es da manchmal mit mir durchgeht und ich hoffe, Ihr seht mir das - zumindest auf Grund dieser Erklärung nach ... :rolleyes: ).

      Trotzdem oder gerade deshalb würden mich auch Meinungen von Leuten, die das ähnlich "tiefgehend" betreiben, interessieren. Also traut Euch!
      Wer lächelt, statt zu toben, ist immer der Stärkere. Laotse
      Grundsätzlich werden wir BDSMler, auch jene die extremere Formen betreiben, als voll geschäftsfähig angesehen. Zum Glück ist BDSM in den Augen von den meisten Juristen, Psychologen und auch Ärzten keine Krankheit mehr. Einzelne BDSMler können psychisch krank sein und ich glaube sogar, dass gewisse Erkrankungen hier häufiger vorkommen als bei NichtBDSMlern. Dennoch lässt eine extreme Ausrichtung wie TPE nicht auf eine Krankheit schließen.

      Phylax schrieb:

      Wie kann ich in diesem spezifischen Fall, also ohne Safeword und im Bewußtsein, dass die Sub, wenn es nicht schon um schiere Existenzängste ginge, sich eher die Zunge rausreissen würde, als mir zu widersprechen, trotzdem sicherstellen, dass das Widerspruchsrecht juristisch wirksam noch ausgeübt werden kann.

      Das wäre nur möglich, indem Dom auf jeden möglichen Widerruf (laut einem Urteil ist ein Schmerzschrei hier durchaus ein möglicher Widerruf) reagiert und sich rückversichert, ob seine Handlung noch in dem Rahmen ist den Sub akzeptiert. Solch eine Session stelle ich mir extremst unsexy vor. Ein weiteres Problem sehe ich darin, dass möglicherweise ohne Safeword bereits die Einwilligung fehlerhaft ist und somit als nicht gegeben betrachtet werden könnte. Selbst wenn dies aber nicht der Fall sein sollte (betrachten selbst Strafrechtler verschieden) so wäre aber allerspätestens jede Handlung nach einer Überschreitung von Subs Grenzen strafbar.

      Daher wer in Deutschland ohne Safeword spielt muss eben damit rechnen sich strafbar zu machen (hatten wir hier im Forum mehrfach das Thema). Wobei Sub es ja auch erst mal anzeigen müsste, in einer intakten Beziehung und bei einem unabsichtlichen Übertritt eher unwahrscheinlich. Den Fall den ich kenne, wo Dom eingebuchtet wurde (hatte eine einschlägige Vorstrafe, ich meine es war zwei Schlägereien also Gewalttaten, die sicher ihren Teil dazu beigetragen hat, sonst wären es sicher keine 3,5 Jahre geworden), war eben auch das Spielen ohne Safeword während der Beziehung kein Problem es wurde dann aber nach der Trennung angeführt. Trennungen können unschön sein und manch einer zeigt eben den Expartner an, ein Verhalten das in einer intakten Partnerschaft nicht vorkommen wird.

      Kurz spielen ohne Safeword kann instrumentalisiert werden, sei es nun fürs Sorgerecht oder auch um dem Dom eins auszuwischen. Und ja auch mit Safeword ist man nie sicher aber wie in anderen Threads ausgeführt weitaus sicherer :)
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff
      Nach wie vor: 100%ig Deiner Meinung, was das Safeword betrifft.

      Ist aber eben, wie wir ja alle wissen, so eine Sache mit den Neigungen. Wie Du würde ich mir eine Session, wo ich alle 5 Sekunden verbal frage, ob eh alles in Ordnung ist und ob es noch geht, mehr als unsexy vorstellen ... <X :blah: . Ebenso ginge es mir persönlich aber halt mit einer Session, wo nicht ich die "Letztverantwortung" habe, ob sie Sub gut tut, sondern sie das mit einem Safeword "beeinflussen" kann ...

      Ich weiß, über Safewords ist schon so viel gesagt worden. Ich persönlich halte es psychologisch (für MICH) trotz seiner unbestreitbaren juristischen Vorteile für gefährlich: Ich habe persönlich beides schon erlebt. Unbefriedigte Subs, die nie auch nur an die Nähe ihrer Grenzen gekommen sind (die sie SELBST erreichen wollten!), weil ihnen gefühlt schon "beim Ausziehen" das Safeword "rausgerutscht" ist, genauso (mea culpa) einen geistigen Zustand zumindest am Rande eines Traumas, weil ich (in der fälschlichen Sicherheit des Safewords gewiegt und auf Grund ihres Willens, die Grenze UNBEDINGT zu erreichen) auch schon mal zu weit gegangen bin bei Subs, die ihr Safeword bei lebendigem Leibe einfach nicht rausbringen ...

      Im Ergebnis ist es nunmal meine "Neigung", auf das Safeword zu verzichten. Und vielleicht ist ja auch das ein ZUSÄTZLICHER Aspekt des gegenseitigen Vertrauens, dass eben einerseits Sub sich mir "ohne Sicherungssein" ausliefert und ich mich aber gleichzeitig ihr dahingehend ausliefere, dass sie das vielleicht im Nachhinein juristisch für ihre Zwecke zu nutzen versucht. Manchmal sticht uns eben der Hafer und wir denken: Die Welt ist nichts für Feiglinge.

      Aber ernsthaft: Wenn ich eine Beziehung habe, die so tief ist, dass sich meine Sub mir BEDINGUNGSLOS anvertraut, dann haben wir beide wohl auch das Recht, dass ich es umgekehrt bei ihr genauso tue.

      Der Hintergrund meiner Überlegungen ist (das mag anderen befremdlich erscheinen), nicht primär: Wie komme ich nicht ins Gefängnis (da hab ich schon ein gewisses Selbstvertrauen, dass ich das Verfahren entsprechend gestalten kann ...), sondern: Wie kann ich es VOR MIR SELBST im Hinblick auf das Gesetz und auch auf Moralvorstellungen, die ich halt nunmal habe, rechtfertigen, so zu spielen, wie ich spiele.

      Und dafür habe ich für mich eben im Moment meine oben präsentierte Lösung. Die "Verteidigungslinie" in einem Strafverfahren würde wohl tatsächlich etwas "straffer" aussehen ...
      Wer lächelt, statt zu toben, ist immer der Stärkere. Laotse