.♥.—3. Dezember—.♥.
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Advent 2017 – Ankunft 2018
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von
@DeepSanguin
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Advent 2017 – Ankunft 2018
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@DeepSanguin
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Übellaunig setzt er einen Schritt vor den anderen, den Blick wie eine Kamera auf seine Schuhspitzen gerichtet, die im Wechsel in sein Blickfeld stapfen. Links. Rechts. Links. Rechts. Die nassen Schuhe patschen in den Schneeregen, der auf dem Pflaster dickflüssig liegengeblieben ist. Im Kopf schlagzeugert er sich einen Viervierteltakt dazu, und so bewegt er sich vorwärts, stur, ohne viel von seiner Umwelt mitzubekommen. Auch deshalb, weil ihm das an Umwelt, das ihm heute bereits begegnet ist, vollkommen reicht. Da wären zu nennen: Erstens, der auf der Treppe geplatzte Müllsack. Zweitens, der gefühlt mehrstündige Anruf von der zwar ganz süßen, aber nervigen Partybekanntschaft mit dem Namen, den er sich nicht merken kann, die ihn auch voll süß findet, aber mit ihrem Kerl, über den sie fast die ganze Zeit geschimpft hat, nicht Schluss machen kann und auf freundschaftlicher Basis, usw. Drittens, der Bäcker, der jetzt zu hat, kein Brot. Viertens, erster Advent, alle hektisch besinnlich.
Er selbst hat den Kranz letztes Jahr Sylvester in den Backofen gestellt. Mit nur drei kaum abgebrannten Kerzen zu den alten Plastiksalatschüsseln und dem stumpfen Gurkenhobel. Den kann er ja jetzt wieder rausholen, der geht nochmal, und dann ist es aber auch gut mit Weihnachten für dieses Jahr.
Aber am meisten nervt ihn, dass er keinen Schimmer hat, wie er die Mittagspost seinem Kollegen reindrücken kann, der nur ein Drittel der produktiven Arbeit macht, dafür aber seine Mails in Englisch schreibt. Leider ist er darin unbegabt, sich die nötigen Redensarten einfallen zu lassen, die den anderen in die unausweichliche Zwangslage bringen würden, unliebsame Aufgaben anzunehmen. Aber das Ding wird er trotzdem noch los, und zwar in diesem Jahr noch! Er könnte zum Beispiel ...
... „Booom!“ Er sitzt auf dem Hintern, sein Schlagzeug im Kopf schweigt ganz plötzlich, hat nur noch einen abschließenden Beckenschlag getan, er fühlt sich ein bisschen wie im Comic, er sieht die Booom!-Sprechblase noch platzen, und zwar in Form einer Plastiktüte, die ihn am Kopf trifft, und dann regnen beträchtliche Mengen Christbaumkugeln über ihn und kullern rund um ihn über den matschigen Bordstein, so wie er auch gerade über den Bordstein gekullert ist. Bei diesem Gedanken muss er unwillkürlich grinsen, obwohl er noch gar keine Ahnung hat, was jetzt eigentlich los ist. Er stellt lediglich fest, dass alle Kugeln rot sind. Und zwar so rot, wie die Nikolausmütze, die die durchaus attraktive Dame auf dem Kopf trägt, die ihm plötzlich schräg gegenüber sitzt. Sie allerdings grinst nicht, sondern faucht ihn mit böse blitzenden Augen an: „Das ist nicht witzig!“
Leider kann er ihr da einfach nicht rechtgeben, nicht zuletzt aufgrund ihres vollkommen absurden Kopfschmucks, und sein Mund verzieht sich zu einem noch wesentlich breiteren Grinsen. Er sieht, dass sie wutentbrannt die Mütze abnimmt und auf das Pflaster schmeißt, aber weil der Filzstoff so lappig ist, flattert sie geruhsam zu Boden und die Geste missglückt gründlich, und am liebsten würde er jetzt laut loslachen. Er kann sehen, dass ihre Wut in Ohnmacht umschlägt und ihr die Worte fehlen, um ihn anzubrüllen, aber das muss sie, damit sie auf keinen Fall losheult und ihre Wut so den Anschein von Wehrlosigkeit bekäme. Instinktiv spürt er, dass er ihr da heraushelfen muss, dringend, und er rappelt sich auf, hebt eine Christbaumkugel auf und hält sie ihr hin. Vollkommen bescheuert, aber immerhin, sie kann sie ihm aus der Hand schlagen und fauchen: „Pass doch auf, Mann!“
Alles das ist ohne nennenswerte Beteiligung des Gehirns abgelaufen, das sich in der Zwischenzeit in Hintergrundverarbeitung ein Bild von dem Geschehnis gemacht hat. Ganz offensichtlich ist er so versunken und stur wie ein Schneepflug, der voran pflügt, und er hat sie einfach umgerannt. Inklusive Mütze, Tüte und Kugeln.
Mit der Einsicht dämmert das Schuldbewusstsein in ihm auf und vorsichtig versucht er, ihr unter die Arme zu greifen, um ihr aufzuhelfen. Sie schlägt zornig seinen Arm beiseite, was sich etwas schwach und patschig anfühlt, aber innerlich erfüllt ihn genau diese etwas hilflose Berührung mit Süße. Das wundert ihn nicht, er kennt die Regung, auch wenn sie im Moment unpassend ist. Sie schubst ihn von sich weg und rappelt sich langsam auf.
Dann kommt beiden der Impuls aufzuräumen. Eine kleine Menschentraube hat sich um sie gebildet, die sich jetzt wieder auflöst, als klar wird, dass niemand verletzt ist. Einige sammeln Kugeln auf und werfen sie in die Plastiktüte, auch sie beide fangen still damit an. Er guckt betreten dabei, sie wütend. Er möchte sich entschuldigen, sie fährt ihn an: „Ja, ist gut. Danke!“ Er sagt: „Gerne!“ und denkt gleichzeitig „Oh, verdammt.“
Eigentlich wollte sie gar keine Weihnachtseinkäufe machen, aber den Rest der Woche wäre es auch nicht gegangen und die Kugeln im Schaufenster waren im Angebot. Also schnell rein, aber zackig, weil das Parkticket schon abgelaufen ist. Dann hat sie noch die Zweige gesehen und die Glöckchen. Oh, sind die hübsch. Und Tischdeko. An der Kasse hat sie die Nikolausmütze geschenkt bekommen, die ist was für ihren Neffen, und weil sie alle Hände voll hatte, hat ihr die Kassiererin die Mütze lachend auf den Kopf gesetzt, den sie ihr auffordernd hingehalten hat. Das Auto steht direkt vor der Ladentür, ist ja nicht weit. Ja, vielen Dank, genau, danke ebenfalls, lächelnd und nach hinten schauend läuft sie freudig gestimmt von dem überraschenden Einkaufserfolg …
… „Booom!“ Sie sieht nur die Kugeln durch den matschigen Belag aus Schneeregen und Schmutz kullern und spürt einen harten Schlag auf die Hüfte und gegen die Schulter, der sie offensichtlich gerade getroffen haben muss. Und sie kann sehen, dass das, was sie getroffen hat, ihr schräg gegenüber hockt und, sie kann das nicht fassen, grinst. Der blöde Arsch grinst! Allerdings ein nicht ganz unattraktiver Arsch, wie sie feststellt, und sich sofort über sich ärgert.
Als die Kugeln in der Tüte waren, hat sie noch die Nikolausmütze aus dem Schmutz gefischt und oben drauf geworfen, dann alles in den Kofferraum gepackt und wollte nur endlich losfahren, aber er hat darauf bestanden, ihr seine Nummer zu geben, und hat irgendwas von Versicherung und Schleudertrauma gefaselt. Das allerdings fand sie irgendwie ganz süß, wenn auch lächerlich. Aber es hat gegen ihre fiese Wut geholfen.
Später hat sie ihn dann angerufen, um ihm zu erzählen, dass sie ein Schleudertrauma hat. Bei ihrem ersten Date hatte sie eine Halskrause um, und als er sie gesehen hat, musste er grinsen. Sie diesmal auch.
Dann hat er sie gefragt, wie man dazu kommt, mit Nikolausmütze durch die Gegend zu laufen und was sie mit den Kugeln gemacht hat. Sie fand ihn süß, aber eben doch ein Arsch.
Er dagegen war sich wie immer bewusst, dass er in ein Fettnäpfchen nach dem anderen tritt, konnte aber nichts daran ändern, weil seine innere Unruhe die Führung übernommen hatte und sein Gehirn einem seltsamen Kribbeln im Bauchraum erlegen ist.
Das war im Advent des letzten Jahres.
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