Köln
Ars, artis … im Lateinischen steht diese Wort für die Kunst im Sinne von Kunstfertigkeit und Geschicklichkeit in einem Maße, dass es eine Wissenschaft für sich ist.
Die Kölner Kunstmesse … das ist die Kunst alles Mögliche als Kunst zu verkaufen. Auch Kunst, aber meistens eben nicht.
Netzwerken, Einflüstern, Sehen und gesehen werden, Geldverdienen. Auch das ist eine Wissenschaft, die Erfahrung und Gespür verlangt.
Diesen Zoo der Eitelkeiten verfolgte ich jetzt auch schon im zwölften Jahr. Erst kam ich als staunender Assistent, jetzt als gewiefter Einkäufer des Kunsthauses Lehmann in Berlin nach Köln. Wir statteten Botschaften, Firmenrepräsentanzen und Kanzleien aus.
Meist waren die Objekte teuer, manchmal sahen sie auch nur so aus. Um ehrlich zu sein, die allerwenigsten Kunden oder Besucher würden den Unterschied beziffern können.
Aber echte Kunst zu hohen Preisen verlieh ein besseres Gefühl. Und wir verkauften diese Aura von Exklusivität.
Dass dies ganz viel mit Theater zu tun hatte, sah man schon an der Tatsache, dass ich hier im Maßanzug in der Piano-Bar des Grand Hotels am Kölner Dom saß und entfernt bekannten Gesichtern teure Drinks spendierte. Mein Zimmer war allerdings im unscheinbaren Businesshotel nebenan, denn mein Arbeitgeber verkaufte zwar Luxus, knauserte ansonsten aber gerne.
Trotz allem, ich liebte diese Bar. Jedes Jahr kam ich her und wurde schon beim Eintreten freudig von Laszlo am Piano mit einem Winken begrüßt. Später würden wir noch viel Spaß miteinander haben.
Das Ambiente war einfach großartig. Eine perfekte Mischung von Würde, Eleganz und lässigem Leben zeichnete diese Bar aus. Ein Clubsandwich mit Hummer und ein Glas Champagner, das gönnte ich mir. Nach diesem Messetag war mir das als Wohltat die 50 Euro wert.
Die nächsten zwei Stunden pflegte ich Kontakte. Hier trafen sich die Kunsthändler mit der gediegenen Kundschaft. Jeff Koons hatte noch niemand von uns im Programm. Nicht, dass man damit kein Geld verdiente … der Kundenkreis war einfach ein anderer, dieser Markt war viel volatiler und zu riskant für uns. Wir verkauften Sicherheit, Geldanlagen … meistens jedenfalls.
Erst gegen 23 Uhr ging ich zu Laszlo. Er kannte das schon und viele der Anwesenden auch.
Der Ungar war eigentlich klassisch ausgebildet, ein hervorragender Pianist, aber Geld war damit in Ungarn nicht mehr zu verdienen gewesen. Nun war er eben hier, wurde nicht reich, aber konnte gut von seinem Engagement und dem Trinkgeld leben. Sein “Goldfischglas” war auch heute schon gefüllt worden und ich tat meinen Anteil auch hinzu.
“Laszlo?”
“Paul!”
Er machte Platz, rückte nach links, spielte weiter die Akkorde von Sweet Georgia Brown.
“Dir geht es gut, Piano man?”
“Ja. Kein Grund zu klagen.”
“Dann wollen wir mal, oder?”
“Sehr gerne. G-Dur?”
“Dann starten wir in ... E7?”
“Stimmt. Und … hier … gehts … los!”
Und wir jazzten den Klassiker, der auch nach 90 Jahren kaum Staub angesetzt hatte.
Neben dem Kunststudium hatte ich früher selbst am Klavier gesessen und mir damit ein paar Euro hinzuverdient. Laszlo war so genial, dass er auf jeden meiner kleinen Fehler so reagierte, dass man ihn nicht wahrnahm. So spielten wir einige Klassiker und näherten uns durch die Jahrzehnte dem Jetzt. Gerade hatten wir uns noch ausgiebig zu “Let it be” ausgebreitet.
“Übernimmst du kurz, Paul? Dann gönne ich mir einen Drink.”
“Schreib den ruhig auf mich an, Laszlo. Marco führt die Liste.”
“Danke, mach ich.”
John Miles, “Music” … klar das kannte man. Dann spielte ich Elton Johns “Don’t let the sun go down on me”.
Etwas weniger pompös fuhr ich fort mit einer zarten Akkordfolge.
“Spielst du das in A?”
Und schon spielte eine Hand die Melodie. Ja, es war in A. Sie hatte es schon längst gesehen.
Eine schwarzhaarig Schönheit in einem roten Kleid setzte sich neben mich und spielte wunderbar leicht das Titelthema zu Forrest Gump.
Und weiter ging es.
“Kannst du Apologize?”
“Von One Republic? Klar.”
Wir spielten es gerade, als Laszlo zurück kam.
“Anna! Wirst du mir untreu?”
“Aber Laszlo, du warst gerade nicht da. Und dieser nette Mann hier hat auch ganz passable Hände.”
Da lag eine gute Portion Eifersucht in der Luft und diese Schönheit an meiner Seite spielte gerade die femme fatale, sie strich über meine rechte Hand und lächelte mir verheißungsvoll zu.
“Bitte, Laszlo, übernimm wieder, ich höre euch gerne zu, wenn ihr spielt.” sagte ich und räumte die linke Seite.
Laszlo und Anna fegten durch die Klavierliteratur, Musicals und aktuelle Songs. Sie gehörten zusammen. Am Klavier und vermutlich auch im Bett. Die Funken sprühten zwischen beiden … nicht immer harmonisch, aber immer dynamisch.
Um 1 Uhr war Schluss in der Piano-Bar und mit viel Applaus bedankten sich die relativ vielen verbliebenen Gäste für die wirklich außergewöhnliche Darbietung. Vom Pianospiel im Hintergrund war in der letzten Stunde nichts mehr geblieben, es war eine Darbietung, ein Konzert gewesen.
“Wow, ihr beiden seid wirklich ein großartiges Team am Flügel!” applaudierte ich ihnen.
“Ein verfluchtes Team.” brach es aus Laszlo heraus, der sich hastig verabschiedete, nahezu flüchtete.
Ars, artis … im Lateinischen steht diese Wort für die Kunst im Sinne von Kunstfertigkeit und Geschicklichkeit in einem Maße, dass es eine Wissenschaft für sich ist.
Die Kölner Kunstmesse … das ist die Kunst alles Mögliche als Kunst zu verkaufen. Auch Kunst, aber meistens eben nicht.
Netzwerken, Einflüstern, Sehen und gesehen werden, Geldverdienen. Auch das ist eine Wissenschaft, die Erfahrung und Gespür verlangt.
Diesen Zoo der Eitelkeiten verfolgte ich jetzt auch schon im zwölften Jahr. Erst kam ich als staunender Assistent, jetzt als gewiefter Einkäufer des Kunsthauses Lehmann in Berlin nach Köln. Wir statteten Botschaften, Firmenrepräsentanzen und Kanzleien aus.
Meist waren die Objekte teuer, manchmal sahen sie auch nur so aus. Um ehrlich zu sein, die allerwenigsten Kunden oder Besucher würden den Unterschied beziffern können.
Aber echte Kunst zu hohen Preisen verlieh ein besseres Gefühl. Und wir verkauften diese Aura von Exklusivität.
Dass dies ganz viel mit Theater zu tun hatte, sah man schon an der Tatsache, dass ich hier im Maßanzug in der Piano-Bar des Grand Hotels am Kölner Dom saß und entfernt bekannten Gesichtern teure Drinks spendierte. Mein Zimmer war allerdings im unscheinbaren Businesshotel nebenan, denn mein Arbeitgeber verkaufte zwar Luxus, knauserte ansonsten aber gerne.
Trotz allem, ich liebte diese Bar. Jedes Jahr kam ich her und wurde schon beim Eintreten freudig von Laszlo am Piano mit einem Winken begrüßt. Später würden wir noch viel Spaß miteinander haben.
Das Ambiente war einfach großartig. Eine perfekte Mischung von Würde, Eleganz und lässigem Leben zeichnete diese Bar aus. Ein Clubsandwich mit Hummer und ein Glas Champagner, das gönnte ich mir. Nach diesem Messetag war mir das als Wohltat die 50 Euro wert.
Die nächsten zwei Stunden pflegte ich Kontakte. Hier trafen sich die Kunsthändler mit der gediegenen Kundschaft. Jeff Koons hatte noch niemand von uns im Programm. Nicht, dass man damit kein Geld verdiente … der Kundenkreis war einfach ein anderer, dieser Markt war viel volatiler und zu riskant für uns. Wir verkauften Sicherheit, Geldanlagen … meistens jedenfalls.
Erst gegen 23 Uhr ging ich zu Laszlo. Er kannte das schon und viele der Anwesenden auch.
Der Ungar war eigentlich klassisch ausgebildet, ein hervorragender Pianist, aber Geld war damit in Ungarn nicht mehr zu verdienen gewesen. Nun war er eben hier, wurde nicht reich, aber konnte gut von seinem Engagement und dem Trinkgeld leben. Sein “Goldfischglas” war auch heute schon gefüllt worden und ich tat meinen Anteil auch hinzu.
“Laszlo?”
“Paul!”
Er machte Platz, rückte nach links, spielte weiter die Akkorde von Sweet Georgia Brown.
“Dir geht es gut, Piano man?”
“Ja. Kein Grund zu klagen.”
“Dann wollen wir mal, oder?”
“Sehr gerne. G-Dur?”
“Dann starten wir in ... E7?”
“Stimmt. Und … hier … gehts … los!”
Und wir jazzten den Klassiker, der auch nach 90 Jahren kaum Staub angesetzt hatte.
Neben dem Kunststudium hatte ich früher selbst am Klavier gesessen und mir damit ein paar Euro hinzuverdient. Laszlo war so genial, dass er auf jeden meiner kleinen Fehler so reagierte, dass man ihn nicht wahrnahm. So spielten wir einige Klassiker und näherten uns durch die Jahrzehnte dem Jetzt. Gerade hatten wir uns noch ausgiebig zu “Let it be” ausgebreitet.
“Übernimmst du kurz, Paul? Dann gönne ich mir einen Drink.”
“Schreib den ruhig auf mich an, Laszlo. Marco führt die Liste.”
“Danke, mach ich.”
John Miles, “Music” … klar das kannte man. Dann spielte ich Elton Johns “Don’t let the sun go down on me”.
Etwas weniger pompös fuhr ich fort mit einer zarten Akkordfolge.
“Spielst du das in A?”
Und schon spielte eine Hand die Melodie. Ja, es war in A. Sie hatte es schon längst gesehen.
Eine schwarzhaarig Schönheit in einem roten Kleid setzte sich neben mich und spielte wunderbar leicht das Titelthema zu Forrest Gump.
Und weiter ging es.
“Kannst du Apologize?”
“Von One Republic? Klar.”
Wir spielten es gerade, als Laszlo zurück kam.
“Anna! Wirst du mir untreu?”
“Aber Laszlo, du warst gerade nicht da. Und dieser nette Mann hier hat auch ganz passable Hände.”
Da lag eine gute Portion Eifersucht in der Luft und diese Schönheit an meiner Seite spielte gerade die femme fatale, sie strich über meine rechte Hand und lächelte mir verheißungsvoll zu.
“Bitte, Laszlo, übernimm wieder, ich höre euch gerne zu, wenn ihr spielt.” sagte ich und räumte die linke Seite.
Laszlo und Anna fegten durch die Klavierliteratur, Musicals und aktuelle Songs. Sie gehörten zusammen. Am Klavier und vermutlich auch im Bett. Die Funken sprühten zwischen beiden … nicht immer harmonisch, aber immer dynamisch.
Um 1 Uhr war Schluss in der Piano-Bar und mit viel Applaus bedankten sich die relativ vielen verbliebenen Gäste für die wirklich außergewöhnliche Darbietung. Vom Pianospiel im Hintergrund war in der letzten Stunde nichts mehr geblieben, es war eine Darbietung, ein Konzert gewesen.
“Wow, ihr beiden seid wirklich ein großartiges Team am Flügel!” applaudierte ich ihnen.
“Ein verfluchtes Team.” brach es aus Laszlo heraus, der sich hastig verabschiedete, nahezu flüchtete.
Mit einer verliebten Frau kann man alles tun, was sie will.
(Gustav Klimt)
(Gustav Klimt)