In einigen Beiträgen zu @zayas Beitrag ist mir aufgefallen, dass einige geschrieben haben, dass es durch die gewählte Anrede bzw. Selbsttitulierung in der 3. Person zu einer Distanz käme oder es distanziert „rüberkäme“.
Ich möchte dazu meine eigenen Gedanken beitragen.
Erstmal ist das Siezen, Ihrzen oder Euchzen eine reine Höflichkeitsform, die sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Ich erwarte auch zunächst von anderen im gesellschaftlichen Leben oder auch in Geschäftsbeziehungen, dass sie mich Siezen. Außer bei IKEA, aber das ist was anderes. Auch bin ich ein großer Verehrer des Freiherrn von Knigge, der viele noch heute gültigen gesellschaftlichen Normen aufgestellt hat. So käme es mir nie in den Sinn, meinem Gruppenleiter - obwohl er jünger ist als ich - das Du anzubieten. Ebensowenig unserem Ausbildungsleiter oder der Frau vom Chef. Andersrum würde ich auch meinen Azubi nicht duzen wollen oder dass er mich duzt. Ich könnte mir da maximal das „Hamburger Sie“ vorstellen, also Sie + Vorname. Da bin ich schon mal seeehr old-school.
Was die Anrede in Beziehungen angeht, kann ich mich an eine Situation aus meiner Jugend erinnern. Irgendwie kamen meine Mutter und ich auf den ehemaligen französischen Präsidenten Mitterand und sie meinte, dass er und seine Frau sich Siezen würden. Ich war damals etwas befremdet, und hatte die Vorstellung von einem völlig distanzierten Leben im Elysée-Palast, das kein Miteinander zuließ und wo man sich maximal zu den Mahlzeiten sah und dann die Distanz nicht nur sprachlich, sondern auch am Tisch war (also das Bild der langen Tafel, wo beide an verschiedenen Kopfenden sitzen). Soweit meine Vorstellung eines Zusammenlebens, wenn man sich gegenseitig nicht duzt.
Vor einigen Jahren begann meine BDSM-„Karriere“, das du + Vorname war weiterhin vorhanden und spezielle Anreden waren nicht gewünscht. Rückblickend gesehen hat das viele Diskussionen befeuert, denn es ist immer leichter „Du Arschloch“ zu sagen als „Sie Arschloch“, und hat außerdem dazu geführt, dass ich mich nicht mehr wohlgefühlt habe. Es gab einige Situationen, in denen ich gerne „Mein Herr“ gesagt oder ihn gesiezt hätte; und doch habe ich es gelassen aus heute für mich nicht mehr nachvollziehbaren Gründen: Angst, ausgelacht zu werden; Bedenken, die Beziehung zu gefährden; das Gefühl, dass es distanziert wirken könnte und wir uns so voneinander entfernen. Ich hatte also im Prinzip dieselben Zweifel, wie sie einige geäußert haben.
Mylord und ich haben uns am Anfang auch geduzt. Das war auch völlig in Ordnung, wir haben uns über alles mögliche unterhalten und da gab es noch lange kein Top und Sub. Erst im Laufe der Zeit äußerte sich Mylord, dass er es schön findet, wenn er von seiner Sub nicht geduzt wird. Ich habe das zur Kenntnis genommen, habe diese Information in meinem kopf ein paar Mal hin- und hergeschoben und mir so meine Gedanken gemacht. Es war kein „du musst“ oder „ab heute“ sondern es war etwas, das sich entwickelt hat. Irgendwann war dann der richtige Zeitpunkt und ich habe ihn gebeten, ihn mit „mein Herr“ ansprechen und Euchzen zu dürfen. Und - Wunder, oh Wunder - da war keine emotionale Distanz zwischen uns, sondern es hat uns eine unglaubliche Nähe beschert. Obwohl wir auf verschiedenen sprachlichen Ebenen unterwegs sind, gibt mir das Euchzen das Gefühl, dass er als mein Herr und Besitzer auf mich aufpasst, acht gibt, sich um alles kümmert und mir die Verantwortung abnimmt.
Dass er mich duzt, ist dabei für mich folgerichtig, denn es spiegelt ja auch unser Innenverhältnis wider. Ich vergleiche das mal (ich weiß, historisch nicht ganz korrekt) mit dem Feudalismus: der Herr hat sich um alles gekümmert, was seinen Besitz anging, dazu gehörten auch die Leibeigenen und der ganze Rest, der den Laden am Laufen hielt. Trotzdem hat nicht jeder vor sich hin gearbeitet, sondern der Herr hat angewiesen, überwacht und auch sanktioniert. Jeder wußte um seinen Platz und um seine Verantwortung. Der Herr hatte sie für alles, die anderen maximal in ihren Teilbereichen. Sollte Mylord mich irgendwann nicht mehr duzen sondern in der 3. Person ansprechen, dann wäre das ein weiterer Schritt, der unser Verhältnis sprachlich auf eine neue Ebene hebt, die dann unser noch tieferes Verhältnis widerspiegelt.
Irgendwann wurde bei uns aus dem „mein Herr“ „Mylord“, was sich für beide Seiten richtig anfühlte. Mylord ist, zumindest aus meiner Sicht, nochmal eine Steigerung. Ursprünglich bedeutete Lord im Altenglischen Brotwart im Sinne von Hausherr; er war derjenige, der auch für die Versorgung seiner Untergebenen zuständig war. Früher war es ja keine Selbstverständlichkeit, dass man jeden Tag Brot hatte und oft hatte der Hausherr auch den Schlüssel zur Speisekammer, was irgendwann an die Hausherrin (die Lady) delegiert wurde. Das nur kurz zu meinem Verständnis, warum Mylord für mich eine sehr respektvolle Anrede für meinen Herrn ist.
Was die Eigenbezeichnung angeht, fühle ich mich zwar zurzeit noch ganz wohl, wenn ich von mir in der 1. Person rede oder schreibe. Trotzdem schleicht sich manchmal in meine Gedanken die 3. Person ein und ich bin mir sicher, dass der Punkt kommen wird, an dem es mir leicht fallen wird, den Schritt vom „ich möchte…“ zu „Darf Libertatem… “ zu machen. Auch das wird keine Distanz zwischen uns schaffen, sondern noch mehr Nähe, denn es ist unsere Sprache, um unsere Stellung in unserer Beziehung zu beschreiben und deutlich zu machen.
Ich Euchze Mylord auch konsequent in der Öffentlichkeit. Ausnahmen sind Familie und Arbeitskollegen bzw. wenn eine entsprechende Abweisung käme. Allerdings würde ich Mylord dann trotzdem nicht duzen, sondern alle möglichen sprachlichen Ausdrucksformen nutzen, um die Anrede zu umgehen. Denn ihn dann zu duzen, wäre aus meiner Sicht eine sprachliche Ebene, die mir nicht (mehr) zusteht.
Ich möchte dazu meine eigenen Gedanken beitragen.
Erstmal ist das Siezen, Ihrzen oder Euchzen eine reine Höflichkeitsform, die sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Ich erwarte auch zunächst von anderen im gesellschaftlichen Leben oder auch in Geschäftsbeziehungen, dass sie mich Siezen. Außer bei IKEA, aber das ist was anderes. Auch bin ich ein großer Verehrer des Freiherrn von Knigge, der viele noch heute gültigen gesellschaftlichen Normen aufgestellt hat. So käme es mir nie in den Sinn, meinem Gruppenleiter - obwohl er jünger ist als ich - das Du anzubieten. Ebensowenig unserem Ausbildungsleiter oder der Frau vom Chef. Andersrum würde ich auch meinen Azubi nicht duzen wollen oder dass er mich duzt. Ich könnte mir da maximal das „Hamburger Sie“ vorstellen, also Sie + Vorname. Da bin ich schon mal seeehr old-school.
Was die Anrede in Beziehungen angeht, kann ich mich an eine Situation aus meiner Jugend erinnern. Irgendwie kamen meine Mutter und ich auf den ehemaligen französischen Präsidenten Mitterand und sie meinte, dass er und seine Frau sich Siezen würden. Ich war damals etwas befremdet, und hatte die Vorstellung von einem völlig distanzierten Leben im Elysée-Palast, das kein Miteinander zuließ und wo man sich maximal zu den Mahlzeiten sah und dann die Distanz nicht nur sprachlich, sondern auch am Tisch war (also das Bild der langen Tafel, wo beide an verschiedenen Kopfenden sitzen). Soweit meine Vorstellung eines Zusammenlebens, wenn man sich gegenseitig nicht duzt.
Vor einigen Jahren begann meine BDSM-„Karriere“, das du + Vorname war weiterhin vorhanden und spezielle Anreden waren nicht gewünscht. Rückblickend gesehen hat das viele Diskussionen befeuert, denn es ist immer leichter „Du Arschloch“ zu sagen als „Sie Arschloch“, und hat außerdem dazu geführt, dass ich mich nicht mehr wohlgefühlt habe. Es gab einige Situationen, in denen ich gerne „Mein Herr“ gesagt oder ihn gesiezt hätte; und doch habe ich es gelassen aus heute für mich nicht mehr nachvollziehbaren Gründen: Angst, ausgelacht zu werden; Bedenken, die Beziehung zu gefährden; das Gefühl, dass es distanziert wirken könnte und wir uns so voneinander entfernen. Ich hatte also im Prinzip dieselben Zweifel, wie sie einige geäußert haben.
Mylord und ich haben uns am Anfang auch geduzt. Das war auch völlig in Ordnung, wir haben uns über alles mögliche unterhalten und da gab es noch lange kein Top und Sub. Erst im Laufe der Zeit äußerte sich Mylord, dass er es schön findet, wenn er von seiner Sub nicht geduzt wird. Ich habe das zur Kenntnis genommen, habe diese Information in meinem kopf ein paar Mal hin- und hergeschoben und mir so meine Gedanken gemacht. Es war kein „du musst“ oder „ab heute“ sondern es war etwas, das sich entwickelt hat. Irgendwann war dann der richtige Zeitpunkt und ich habe ihn gebeten, ihn mit „mein Herr“ ansprechen und Euchzen zu dürfen. Und - Wunder, oh Wunder - da war keine emotionale Distanz zwischen uns, sondern es hat uns eine unglaubliche Nähe beschert. Obwohl wir auf verschiedenen sprachlichen Ebenen unterwegs sind, gibt mir das Euchzen das Gefühl, dass er als mein Herr und Besitzer auf mich aufpasst, acht gibt, sich um alles kümmert und mir die Verantwortung abnimmt.
Dass er mich duzt, ist dabei für mich folgerichtig, denn es spiegelt ja auch unser Innenverhältnis wider. Ich vergleiche das mal (ich weiß, historisch nicht ganz korrekt) mit dem Feudalismus: der Herr hat sich um alles gekümmert, was seinen Besitz anging, dazu gehörten auch die Leibeigenen und der ganze Rest, der den Laden am Laufen hielt. Trotzdem hat nicht jeder vor sich hin gearbeitet, sondern der Herr hat angewiesen, überwacht und auch sanktioniert. Jeder wußte um seinen Platz und um seine Verantwortung. Der Herr hatte sie für alles, die anderen maximal in ihren Teilbereichen. Sollte Mylord mich irgendwann nicht mehr duzen sondern in der 3. Person ansprechen, dann wäre das ein weiterer Schritt, der unser Verhältnis sprachlich auf eine neue Ebene hebt, die dann unser noch tieferes Verhältnis widerspiegelt.
Irgendwann wurde bei uns aus dem „mein Herr“ „Mylord“, was sich für beide Seiten richtig anfühlte. Mylord ist, zumindest aus meiner Sicht, nochmal eine Steigerung. Ursprünglich bedeutete Lord im Altenglischen Brotwart im Sinne von Hausherr; er war derjenige, der auch für die Versorgung seiner Untergebenen zuständig war. Früher war es ja keine Selbstverständlichkeit, dass man jeden Tag Brot hatte und oft hatte der Hausherr auch den Schlüssel zur Speisekammer, was irgendwann an die Hausherrin (die Lady) delegiert wurde. Das nur kurz zu meinem Verständnis, warum Mylord für mich eine sehr respektvolle Anrede für meinen Herrn ist.
Was die Eigenbezeichnung angeht, fühle ich mich zwar zurzeit noch ganz wohl, wenn ich von mir in der 1. Person rede oder schreibe. Trotzdem schleicht sich manchmal in meine Gedanken die 3. Person ein und ich bin mir sicher, dass der Punkt kommen wird, an dem es mir leicht fallen wird, den Schritt vom „ich möchte…“ zu „Darf Libertatem… “ zu machen. Auch das wird keine Distanz zwischen uns schaffen, sondern noch mehr Nähe, denn es ist unsere Sprache, um unsere Stellung in unserer Beziehung zu beschreiben und deutlich zu machen.
Ich Euchze Mylord auch konsequent in der Öffentlichkeit. Ausnahmen sind Familie und Arbeitskollegen bzw. wenn eine entsprechende Abweisung käme. Allerdings würde ich Mylord dann trotzdem nicht duzen, sondern alle möglichen sprachlichen Ausdrucksformen nutzen, um die Anrede zu umgehen. Denn ihn dann zu duzen, wäre aus meiner Sicht eine sprachliche Ebene, die mir nicht (mehr) zusteht.
Wenn die Liebe dir winkt, folge ihr, sind ihre Wege auch schwer und steil. (Khalil Gibran)
Was ist Liebe? Eine Hütte nicht gegen einen Palast tauschen wollen, Untugenden und Fehler lächelnd übersehen, Hingabe ohne geringstes Zögern. (Aus China)
BDSM ist nicht das geschenkte MacBook oder der Luftballon in Hubschrauberform. (Rainha)
Was ist Liebe? Eine Hütte nicht gegen einen Palast tauschen wollen, Untugenden und Fehler lächelnd übersehen, Hingabe ohne geringstes Zögern. (Aus China)
BDSM ist nicht das geschenkte MacBook oder der Luftballon in Hubschrauberform. (Rainha)