Crossover!

      Ich habe lange nicht geschrieben weil ich das Gefühl hatte, ich kann nicht. Bdsm, die ganze Zeit ein Thema und für mich lebensverändernd.
      Ich musste erstmal puzzeln und ich puzzel immer noch.

      In der Überlegung, dass es für mich vielleicht wichtig sein könnte, diesen Prozess festzuhalten schreibe ich hier.
      Vielleicht erkennt sich die ein oder andere darin wieder, vielleicht ist es einfach nur interessant zu lesen.

      Crossover.

      In meiner ersten Begegnung mit BDSM hatte ich einen Herrn der alten Schule vor mir. Einer der mir etwas über Rituale erzählte, über Verbindungen fernab der gesellschaftlichen "Norm". Seine Gedanken und die Art wie er mit mir umging fixten mich total. Ja, es war fernab von der "Norm" aber im Hintergrund. Nicht das es mir an Aufmerksamkeit gemangelt hätte, dieser Mann konnte mich auf tausend Arten zum Grinsen bringen, nur um mir im nächsten Moment eine Gänsehaut zu jagen.
      Es gab, irgendwann in dieser Begegnung die Aufgabe, mich in devoter Haltung zu üben. Ich wollte gefallen, es ihm Recht machen- so gut wie es mir, unerfahren wie ich war, möglich war. Ich habe gelesen, ich habe geübt und schließlich alles bildlich festgehalten und ihm zukommen lassen. Ich fand die Aufnahmen, die meine Vertraute gemacht hatte, schön. Ich war auf die Knie gegangen. Für mich ein besonderer Schritt an dem ich lange überlegt habe. Ich wusste das wenn ich diese Seite zulassen würde, dann würde ich nicht mehr davon kommen. Innerlich habe ich es immer gewusst. Da war etwas, etwas das ich nicht greifen oder zulassen konnte.
      An jedem Foto das ich ihm schickte gab es etwas auszusetzen, es mäkelte. Hier war der Kopf zu tief, dort waren die Beine zu weit gespreizt... Er trieb mich in den Wahnsinn. Der Flogger den ich darreichend im Foto zeigte, lag vor meiner Nase. Meine Vertraute machte das Foto, als ich den Flogger in die Hand nahm und mein Gesicht zu leuchten began. Das Foto trug eine Energie in sich, welches den anderen fehlte. Warum fehlte es den anderen wenn ich doch nichts anderes wollte, als mich unterwerfen?
      Es war nur ein Momentum, ein kleiner Augenblick vor nun fast 2 Jahren.

      Ich war dort nie wirklich Sub, er war nie wirklich mein Herr. Eine gespielte Szenerie die irgendwann sich selbst überlebt hat. Am Anfang habe ich gelitten, ich hatte mich selbst zugelassen nur um nicht anzukommen. Ich dachte, wenn ich erfülle was er wünscht dann werde ich "die Seine". Was ein Quatsch, denke ich heute. Im Nachgang war das das Beste was mir passieren konnte. Wenn ich mir in den Sinn rufe was er sich alles vorstellte und wünschte, dann ist das wohl fernab von dem was ich mir vorstelle... oder doch nicht? Würde ich vielleicht doch darin aufgehen diese Wünsche zu erfüllen, wenn es mein Partner wäre?
      Auf jeden Fall hat er hat mir einen Einblick gegeben. Einen Einblick in MEIN Fühlen.
      Mir war nicht klar gewesen wie wichtig mir geworden war, ihm zu entsprechen, ihm Freude und Wohlgefallen zu schenken. Verfügbar zu sein und wieder zu gehen.
      Als das weg gefallen ist war da eine unfassbare Leere. Ich hatte Blut geleckt, wenn auch nur oberflächlich und doch wusste ich da schon, dass ich eine Partnerschaft brauche.
      Nichts was hintergründlich ist. Sich selbst zu verleugnen war aber auch nicht mehr möglich und der Drang nach Erleben auch viel zu groß.

      Meine nächste Begegnung sollte anders sein. Sie sollte mir auch Möglichkeiten auf menschlicher Ebene bieten. Da stand ich nun, mit meinem Wissen und dem was mich in meiner ersten Begegnung getrieben hatte und erlebte eine völlig andere Welt, seine Welt. Unsere Beziehung war eine andere, sie war tief, besonders.

      Und wieder lernte ich mich selbst in meinem Fühlen kennen.

      Vor einem Jahr hätte ich noch gesagt, dass vieles was er wollte nicht meine Welt war. Heute muss ich das revidieren.
      Heute sind viele Dinge, die zu diesem Zeitpunkt für mich zu viel erschienen, die Dinge von denen ich träume. Dinge die ich erfahren möchte, die ich nicht mehr abtun möchte.

      Was hatte ich kennengelernt? Wohl am meisten mich selbst. Oder doch nicht?

      Immer wieder unterhalte ich mich mit Menschen darüber wo ich mich einordnen soll? Darüber wer ich wirklich bin? Brauche ich jemand der mir eine Identiät gibt? Hatte ich nicht schon meine Identität gefunden? Wenn ich mich selbst doch immer noch nicht kenne? Wenn ich zwar Nachts von all den Dingen träume, sie aber nicht in dem Rahmen, den ich brauche, ausleben kann?
      Auf die Suche gehen? Nach einem Partner der all diese Facetten annimmt? Was sollte ich denn einem potentiellen Kanditaten erzählen?
      Menschlich kann ich mich beschreiben, wer ich bin und was mich ausmacht. Kann ich das auch in Bezug dessen was ich alles möchte? Hab ich überhaupt was zu möchten? Will ich überhaupt was möchten?

      Jahre war ich gefangen, habe im Hintergrund gesucht was mir Vordergründlich fehlte. Ich war nicht frei. Es war auch gedanklich eine Bremse, immer im Hinterkopf sich nicht voll ausleben zu können. Es durfte nicht sichtbar sein und zuende gefühlt werden konnte es auch nicht. In mir schlummerte etwas, dass ich Jahre unterdrückt hatte.
      Was ich da alles zurück gehalten habe, weiß ich nicht oder weiß ich es doch?
      Kann ich einordnen was sich nicht ordnen lässt? An manchen Tagen wünschte ich mir, ich wäre niemals auf all das gestossen. Dann wüsste ich nichts über mein Fühlen und die Tiefe die ich entwickeln kann. Dabei ist das Blödsinn, weil ich tief in mir weiß dass es ein Part ist der immer gefehlt hat. Es macht mich nicht aus, aber es gehört zu mir. Es ist ein Teil, ganz egal wie dieser nun geartet sein soll.

      Crossover, so bezeichnet man in der Musik die Vermischung verschiedener Genres. Es erlaubt dabei dem Künstler in Gegensätzlichkeit frei zu sein. Dinge untereinander zu mischen und darin eine ganz eigene Symphonie zu finden.
      Was ist wenn ich einfach ein Crossover bin? Wenn ich meine Erfüllung in der Freiheit der Vermischung der Genres finde? Gekreuzigt, gefangen und doch immer noch ICH.
      Was wenn es einfach nur person- und verbindungsabhänig ist? Was ist wenn mein Wunsch zu dienen einfach zu tief geht, mich willenlos werden lässt?
      Ist es dann nicht sogar gefährlich?

      Das sind die Fragen, die Gegebenheiten die mich beschäftigen. Fragen, die ich mir nur selbst beantworten kann. Fragen die sich nur beantworten lassen, wenn ich mich traue.
      Ich habe das Gefühl Dinge zueende Fühlen zu müssen bis sie für mich gut und stimmig sind. Ich weiß, dass wenn ich meinen Platz kenne, ich diesen auch gerne einnehme.
      Eine Partnerschaft möchte ich zur Zeit nicht führen, erleben will ich trotzdem. Ich will frei sein und zeitgleich nicht.

      Crossover.