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Bitte liked jedoch nicht diesen Beitrag, da er nicht von der Autorin eingestellt wurde, sondern im Rahmen des Geschichtenadventskalenders. Die Autorin wird, sofern sie es möchte, zeitnah hier eine Antwort posten. Diese dann bitte liken, so dass eure Likes auch bei ihr ankommen.
❅ 4. Dezember ❅
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Boléro
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von @Primrose
Zu dieser Geschichte gibt es eine Hörversion
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Boléro
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Forschend betrachtet sie sich im Spiegel, begegnet ihrem eigenen Blick. Sie schaut in die Augen einer Frau, die sie in den letzten drei Jahren auf eine ganz neue Weise kennen gelernt hat. Erstaunen liegt in ihrem Blick und eine tiefe Ruhe. Zufriedenheit. Heimat- sie wusste lange nicht, was das ist. Sie lächelt sich selbst im Spiegel zu, streift sanft den Kimono von ihren Schultern, ein Hauch von Stoff. Dann geht sie langsam den Flur entlang Richtung Wohnzimmer, die Holzdielen schmiegen sich warm an ihre bloßen Füße. Bedächtig entzündet sie die dicken Stumpenkerzen, die sie auf dem Boden angeordnet hat, und schickt ihm ein Foto davon. „Ich erwarte dich“, schreibt sie dazu. Dann sinkt sie auf die Knie, inmitten der brennenden Kerzen. Sie wird lange hier knien und auf ihn warten. Noch scheint das Licht der Kerzen nicht besonders hell, das letzte Tageslicht ist noch nicht erloschen. Doch später, wenn er endlich nach Hause kommt, werden sie umso heller leuchten. Sie versinkt in andächtige Stille.
In jedem Menschen gibt es einen Ort, an dem er ganz bei sich zu Hause, auf ureigenste Weise er selbst ist. Manche finden diesen Ort beim Gärtnern oder Musizieren, andere, wenn sie mit dem Motorrad über die Straßen fegen oder über weite Ebenen fliegen; wieder andere beim Holzhacken oder Malen, beim Schreiben, Handwerken oder Meditieren, beim Anblick der Schönheit der Natur oder wenn sie mit ihren Kindern spielen. Wahrscheinlich existieren so viele Orte und Wege, diese zu erreichen, wie es Menschen auf dieser Erde gibt.
Und obgleich sie viele dieser Dinge liebt, findet sie ihren Ort am eindrücklichsten in ihrer Unterwerfung. Das ist längst nicht immer so gewesen. Im Gegenteil, lange Zeit hat sie nichts von diesem Ort gewusst, ihn in manch stillem Moment vielleicht erahnt. Sie ist auf der Suche gewesen nach diesem Ort, der ganz ihr eigener ist, ruhelos, ein wenig getrieben, auf unerklärliche Weise unerfüllt. Und dann, an einem Winterabend, hat sie ihn ganz überraschend gefunden, auch wenn sie damals noch nicht gewusst hat, dass er ihre Heimat werden würde. Zumindest hat sie damals den langen Weg nach Hause begonnen. Sie lächelt versonnen und ihre Gedanken wandern zurück zu jener kalten Nacht vor etwas mehr als drei Jahren.
❅❅❅❅❅
Sie ist auf dem Weg zum Auto, müde, in Gedanken versunken, als sie plötzlich Schritte hinter sich hört. Eilige Schritte, die rasch näher kommen. Schritte im Dunkeln. Sie läuft schneller, wirft einen hektischen Blick zurück. Es ist schon spät, Dunkelheit umgibt sie, die Straße ist menschenleer. Sie hat ihr Auto fast erreicht, als er sie einholt. „So leicht entkommst du mir nicht! Immer läufst du davon!“ Er wirkt ein wenig genervt, vorwurfsvoll. Sie atmet erleichtert auf, als sie seine Stimme erkennt. „Jonathan! Was willst du denn hier?!“ Ihre Stimme klingt schroffer als beabsichtigt, aber sie friert, ist abgespannt vom Tag und will nur noch nach Hause in ihr warmes Bett, sich die Decke über den Kopf ziehen und alles um sich herum vergessen. Außerdem hat er sie erschreckt. „Ich will mit dir reden, aber du rennst ja ständig weg!“, murrt er. Sie will nicht reden, schon gar nicht jetzt. Er soll sie in Ruhe lassen, so einfach ist das. Aber so einfach macht er es ihr nicht. „Lass uns ein anderes Mal reden, ja!“, murmelt sie. „Ich muss jetzt wirklich nach Hause.“
Sie wendet sich ab und will schon die Fahrertür öffnen, als er sie an der Schulter packt und wieder zu sich herumdreht. „Hey, jetzt warte doch mal. Ich rede mit dir!“, schnaubt er und fügt sanfter hinzu: „Ich sehe doch, dass es dir nicht gut geht!“ Der Satz trifft sie unvorbereitet. Fassungslos starrt sie ihn an. Mit einem Satz hat er ihre Fassade heruntergerissen, die sie so mühsam errichtet hat. Er hat es geschafft, sich an ihrer Abwehr vorbeizuschmuggeln, sie im Inneren zu berühren, vielleicht, weil sie so müde ist, vielleicht auch, weil sie es leid ist, immer die Starke zu sein. Sekundenlang ist sie wie erstarrt, Tränen schießen in ihre Augen, als sie seinem Blick begegnet- dann hat sie sich wieder im Griff. Sie wird jetzt nicht weinen, nicht hier auf offener Straße, nicht vor ihm. Sie muss einfach nach Hause, das ist alles. Ihr Blick wird hart. Sie kann ihm jetzt nicht in seine warmen, braunen Augen sehen, die sie betrachten, forschend zwar, aber mitfühlend. ,Reiß dich zusammen!‘ ermahnt sie sich selbst, ,konzentriere dich!‘ Sie versucht, ihn von sich zu schieben, um endlich in ihr Auto steigen zu können, aber er lässt sich nicht abwimmeln. Stattdessen stützt er sich mit den Händen rechts und links von ihr am Auto ab und hält sie so zwischen sich und dem Wagen gefangen. „Was ist denn mit dir los?“, bohrt er nach. „Lass mich einfach!“, faucht sie und versucht, unter seinem Arm hindurchzutauchen, um endlich von ihm weg zu kommen, aber er schiebt einfach sein Knie davor und schaut sie weiter fragend an. Innerlich verflucht sie ihn und schließt genervt die Augen, lehnt sich gegen die Autotür. Er scheint entschlossen, sie nicht ohne eine Antwort davonkommen zu lassen, die sie wiederum nicht bereit ist, ihm zu geben. Wenn das so weitergeht, stehen sie noch ewig hier. Sie kennt seine Hartnäckigkeit. Wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, ist er nicht so leicht davon abzubringen.
„Ich komm schon klar“, versucht sie es erneut, bemüht, ihre Stimme ruhig und gefasst klingen zu lassen. Er schüttelt den Kopf: „Du brauchst jemanden, der sich um dich kümmert!“ Wut flammt in ihr auf, zornig funkelt sie ihn an, aber noch ehe sie ihm eine Antwort entgegenschleudern kann, fügt er leise hinzu: „Nicht, weil du alleine nicht klar kommst. Ich weiß, dass du stark bist! Ich kenne dich doch. Sondern einfach, weil es sich gut anfühlt, wenn jemand da ist und auf dich aufpasst.“ Wortlos starrt sie ihn an. Was soll sie darauf schon sagen. Kann er etwa ihre innersten Träume ahnen, ihr sorgsam gehütetes Geheimnis erraten? Sie atmet gedehnt aus und senkt den Blick. Irgendwie läuft das hier nicht nach ihrem Plan. Sie ist es gewohnt, dass die Dinge funktionieren, wie sie will, und das ist hier ganz und gar nicht der Fall. Und, so irritierend das ist, es fühlt sich nicht verkehrt an. Auf eine verrückte Art und Weise scheint er richtig zu liegen mit dem, was er tut, auch wenn sie es nicht einordnen kann. Er spürt, wie sie weicher wird und streicht ihr flüchtig über die Wange. „Wenn du mir gehören willst, dann trage das nächste Mal etwas Rotes, wenn wir uns begegnen. Du musst wissen, ich begehre dich schon lange. Wenn du dich nicht darauf einlassen möchtest, ist das auch okay. Dann bleiben wir einfach weiterhin gute Kollegen. Überlege es dir.“ Er lächelt sie gewinnend an, hält ihren Blick mit dem seinen fest. Dann tritt er einen Schritt zurück und gibt sie frei. Fast bedauert sie, als er sie aus seiner Nähe entlässt. „Und jetzt fahr vorsichtig und komm gut nach Hause“, grinst er. Sie nickt verwirrt und lässt sich in ihr Auto fallen.
❅❅❅❅❅
Allmählich wird es draußen dunkel. Um diese Jahreszeit setzt die Dämmerung schon früh ein, die Tage werden kürzer, Weihnachten steht bald vor der Tür. Lange Schatten kriechen aus den Ecken des Zimmers; die Kerzen flackern hell, bilden einen Halbkranz aus Licht um sie herum. Sie streckt sich ein wenig, biegt ihren schmerzenden Rücken durch. Ein leises Seufzen kommt über ihre Lippen. So langsam tun auch ihre Beine weh vom langen Knien. Hoffentlich lässt er nicht mehr allzu lange auf sich warten. Sie schaut durch die breite Fensterfront hinaus in den Garten, der ruhig und dunkel vor ihr liegt. Ein feiner Schneeregen hat sich gebildet; kleine, helle Punkte, die in der Dämmerung tanzen. Ihr Blick bleibt an ihnen hängen, beobachtet ihr Wirbeln und Kreisen und ihre Gedanken folgen ihnen, lassen sich mit ihnen treiben.
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