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Bitte liked jedoch nicht diesen Beitrag, da er nicht von der Autorin eingestellt wurde, sondern im Rahmen des Geschichtenadventskalenders.
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✵ 20. Dezember ✵
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Etüde Nr. 1
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von @Promise
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Etüde Nr. 1
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von @Promise
„Eine Etüde ist in ihrem ursprünglichen Wortsinn ein Instrumentalwerk für ein Soloinstrument, das dem Musizierenden zu größeren Fertigkeiten auf seinem Instrument verhelfen soll.“ (Wikipedia)
Ein kalter Wind ließ die zarten Schneeflocken im Schein der Straßenlaterne tanzen. Leicht und unbeschwert, nach einer unbekannten Choreographie. Jeder Schritt gab ein leichtes Knirschen von sich. Ansonsten Stille. Die Stille eines frühen Winterabends am Rande eines kleinen Ortes.
Sie sog die kühle Luft tief ein. Vorfreude gemischt mit Nervosität erfüllte ihre Gefühle. Ein lang gehegter Wunsch ging endlich in Erfüllung. Würde es so sein, wie sie es sich vorstellte? Zu lange war es her. Viel zu lange. Was ist, wenn sie nicht gut genug ist? So viel Zeit war vergangen. Zeit, in welcher sie immer wieder auf die Bedürfnisse der anderen, ihrer Familie schaute. Für ihre eigenen Wünsche, Träume war da kein Platz. Später vielleicht. Ja, ganz bestimmt irgendwann. Vor drei Monaten war dann auch Helena, ihre jüngste Tochter, ausgezogen. Ein Studienplatz in Kiel.
Christoph, ihr Mann, war bereits vor drei Jahren beruflich ins Ausland gegangen. Eine einmalige Chance, die sein Arbeitgeber ihm bot. Sie blieb mit den Kindern zurück. Man hatte ja alles hier. Das Haus, die Kinder und deren Schule bzw. Studium, die eigenen Eltern, der eigene Job. Im ersten Jahr kam Christoph noch regelmäßig nach Hause. In diesem Jahr war er zuletzt im Juli bei ihr. Man feierte Helenas Abitur. Und redete viel über die Zukunft. Sein Arbeitgeber hatte ihm eine Vertragsverlängerung angeboten und er hatte zugesagt.
Er bat sie, ihm ins Ausland zu folgen. Jetzt, wo die Kinder doch auf eigenen Beinen standen. Doch sie lehnte ab. Sie hatte hier ihre Wurzeln. Und was wäre, wenn die Kinder sie doch bräuchten und sie am anderen Ende der Welt wäre? Sie spürte Christophs Enttäuschung sehr deutlich und auch die Verabschiedung am nächsten Tag war irgendwie kühl und distanziert. Sie solle auch mal an sich denken, sagte er ihr zum Abschied. Das tat sie nun. Und damit wollte sie ihn überraschen, wenn er sie Weihnachten besuchte.
„Sie haben Ihr Ziel erreicht“, tönte es aus ihrer Jackentasche und riss sie aus ihren Gedanken. Mit kalten Fingern tastete sie auf ihrem Handy und verglich die Adresse auf dem Display mit der des Hauses, vor welchem sie gerade stand. Die Anspannung stieg. Sie drückte auf den Klingelknopf.
Ein leises Summen signalisierte, dass die Tür geöffnet werden konnte. Sie trat ein. Die Dielen des Treppenhauses knarzten, als sie die wenigen Stufen zum Hochparterre hinaufstieg. Es roch nach Bohnerwachs. Im Türrahmen erwartete sie ein älterer Mann mit graumeliertem Haar und einem freundlichen Lächeln. „Sie sind sicherlich Alexandra“, begrüßte er sie mit einer angenehm tiefen Stimme und einem festen Händedruck. „Ich bin Herr Wagner, aber das konnten Sie sich sicherlich denken.“ Mit einer Geste deutete er ihr den Weg in seine Wohnung. Im Flur half er ihr aus der Jacke und hängte sie zum Trocknen auf einen Kleiderbügel. Gemeinsam betraten sie ein gemütlich eingerichtetes Zimmer.
Herr Wagner betrachtete ihre geröteten Finger. „Mit diesen Fingern können Sie aber nicht viel anfangen, Alexandra. Ich bringe Ihnen erstmal einen Tee zum Aufwärmen.“ Als sie alleine im Zimmer saß, blickte sie sich um. Irgendwie fühlte sie sich in eine andere Zeit versetzt. Verschnörkelte Holzmöbel, Ölgemälde an den Wänden, dunkelrot samtgepolsterte Sessel und Sofa, schwere Vorhänge mit Kordelbändern und Quasten. Größer hätte der Kontrast zu ihrem eigenen Zuhause kaum sein können.
Herr Wagner kam mit zwei Tassen Tee zurück, stellte diese und eine Zuckerdose auf den Tisch. Sie nahm sich zwei Löffel Zucker und rührte langsam in ihrer Tasse. Danach nahm sie die Tasse und umfasste sie mit beiden Händen. Langsam wärmten sich diese auf und nach ein paar Schlückchen Tee breitete sich eine wohlige Wärme in ihr aus, welche die Anspannung langsam vertrieb.
„Und, welche Erfahrung bringen Sie mit?“, Herr Wagner saß ihr entspannt in einen Sessel gelehnt gegenüber. „Oh, nicht so viel. Ich hatte vor vielen Jahren einmal Unterricht. Also, vor sehr vielen Jahren. Da war ich noch ein Teenager.“ „Na, dann wollen wir mal schauen, was noch hängengeblieben ist.“ Herr Wagner erhob sich aus seinem Sessel, öffnete die Abdeckung der Klaviatur und forderte Alexandra auf, auf dem Hocker neben ihm Platz zu nehmen.
Gemeinsam wurden ein paar Aufwärm- und Fingerübungen durchgeführt, Tonleitern vor- und rückwärts gespielt und eine einfache Melodie geübt. Die erste Unterrichtsstunde verging wie im Flug. Sie bekam ein Übungsblatt als Hausaufgabe und machte sich stolz und gutgelaunt auf den Nachhauseweg.
In der darauffolgenden Woche war sie bereits weniger aufgeregt, als sie vor Herrn Wagners Haus stand. Wieder wurde sie mit einem warmen Tee empfangen, um sich und ihre durchgefrorenen Finger aufzuwärmen. Als sie dann aber am Klavier saß, spürte sie doch wieder eine gewisse Nervosität. Herr Wagner stand hinter ihr und sie glaubte, seine Blicke spüren zu können. Sie begann, die Melodie vom Übungsblatt zu spielen und geriet ins Stocken. Herr Wagner räusperte sich und sie begann, die Melodie von neuem zu spielen.
„Alexandra!“ Herr Wagner unterbrach sie barsch. „Mir scheint, Sie haben sich nicht die ausreichende Zeit zum Üben genommen. Was ist Ihr Ziel?“ Sie war erschrocken und sah ihn mit großen Augen an. Sie hatte doch geübt. Aber vielleicht nicht genug? „Ich möchte meinen Mann zu Weihnachten mit einem kleinen Musikstück überraschen“, antwortete sie leise.
„Dann werden Sie sich wohl mehr anstrengen müssen. Weiter spielen!“ Sie nickte und setzte ihr Spiel fort. Innerlich spürte sie Ärger in sich hochkriechen. Wie redete er mit ihr? Sie war doch kein kleines Kind. Was erwartete er in einer zweiten Klavierstunde? Trotzdem spielte sie weiter und nach jedem Räuspern begann sie von vorne. Teilweise spürte sie Wut und musste gegen Tränen ankämpfen. Und sie spielte weiter.
„Sie haben sehr gut gespielt. Ich spüre bei Ihnen einen starken Willen zum Lernen“, mit diesen Worten überreichte er ihr ein Blatt: Etüde Nr. 1. „Lassen Sie uns das zunächst gemeinsam üben.“ Herr Wagner spielte es vor und ging danach Takt für Takt mit ihr gemeinsam durch. Wies auf schwierige Passagen hin und markierte diese. Das war nun ihr Übungsstück für die kommenden Wochen.
Zu Hause angekommen, stellte Alexandra fest, dass sie vergessen hatte, die Heizung höherzuschalten, nachdem sie von der Arbeit kam und bevor sie zum Klavierunterricht ging. Im Verlaufe des Tages hatte es sich ziemlich abgekühlt. Sie drehte das Thermostat höher, kochte sich einen Tee und kuschelte sich mit einer Decke aufs Sofa. Stille. Einfach nur absolute Ruhe um sie herum. Ein merkwürdig trauriges Gefühl erfüllte sie. Ihre Gedanken wanderten zurück zur Klavierstunde und Herrn Wagner. Ein merkwürdiger Mensch war das.
Diese Mischung aus Strenge und Anerkennung, die er ihr vorhin entgegenbrachte. So ein Verhalten war ihr fremd. Trotzdem empfand sie die Gefühle, die es in ihr verursachte, nicht als unangenehm. Langsam hatte der Raum eine angenehme Wärme und sie setzte sich an ihr Klavier und begann zu üben. Sie wollte das Stück nächste Woche richtig gut spielen. Sie wollte ihn nicht enttäuschen. Sie wollte ihn nicht enttäuschen?! Wie bitte?! Was für ein bescheuerter Gedanke war das denn? Mit einem Kopfschütteln und einem leichten Lächeln schob sie ihn weg und spielte weiter.
Die nächsten Klavierstunden verliefen recht unspektakulär. Alexandra genoss weiter Herr Wagners unerbittlich strenge Art und sein Lob, welches ihr ein fast unheimlicher Ansporn war. Ihre Fortschritte waren entsprechend gut und die Aussicht, Christoph Weihnachten mit einem kleinen, gut eingeübten Stück zu überraschen, bereitete ihr große Vorfreude.