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✵ 16. Dezember ✵
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Dissipation
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von threestripes
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Dissipation
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von threestripes
Dissipation, wörtlich „Zerstreuung“. In der Thermodynamik werden Arbeiten, die auf Grund von Reibungs-, Drosselungs- oder Stoßvorgängen in thermische Energie umgewandelt werden, als Dissipationsarbeiten bezeichnet. Es handelt sich dabei um irreversible Vorgänge, bei denen die Entropie zunimmt, anders ausgedrückt: Exergie wird in Anergie umgewandelt.
E. F. Holtzmayer – Einführung in die Thermodynamik
Kapitel 1
„Was machst du denn da?“
Es ist 01:18 Uhr, sie steht in der Türe meines Arbeitszimmers, hat sich auf leisen Sohlen angeschlichen, mit dabei ist Geena, die Kuschelgiraffe, die sie fest im Arm hält. Ich starre sie an. Nicht, weil ich etwas Verbotenes tue, bei dem ich mich ertappt fühlen könnte. Auch nicht, weil mich ihr plötzliches Erscheinen erschreckt hat, sondern weil ich tief in Gedanken versunken bin. Ein Stapel weißer, unbeschriebener DIN A4-Blätter starrt mich anklägerisch an. Sie wiederholt die Frage mit geduldigem und nachsichtigem Tonfall, ich weiß aber genau, dass eine schlüssige Antwort darauf zwingend notwendig ist, alles andere lässt sie mir nicht durchgehen.
„Also, was machst du?“
„Ich versuche, unsere Geschichte aufzuschreiben, aber das ist gar nicht so einfach.“
„Ich weiß“, antwortet sie mit ernster und nunmehr ungewöhnlich erwachsener Stimme, die so gar nicht zu ihrem Erscheinungsbild passen mag. Ich schweige, nicke aber bedächtig.
„Du hast Angst, dass man unsere Geschichte in den falschen Hals bekommt, richtig?“
Ich nicke wieder, kaum merklich, wie gerne hätte ich mir jetzt eine Zigarette angezündet, aber wir haben uns darauf geeinigt, dass Rauchen im Haus tabu ist – sie und ich.
Ich ertappe mich dabei, wie ich sie scanne mit meinen Blicken. Sie bemerkt es, nimmt eine leicht laszive Körperhaltung ein, ohne dass ich sagen könnte, was diese manchmal gewollte, manchmal unbewusste Laszivität genau ausmacht. Sie drückt die Stoffgiraffe an ihren Mund, ich sehe nur noch ihre Augen, die mich durchdringend anblicken.
„Weißt du, wie soll man das denn Außenstehenden erklären, ich glaub…“
„Es ist diese verfluchte Lolita-Scheiße, oder?“, unterbricht sie mich mit tiefer, leicht verärgerter Stimme. Ich nicke.
„Weißt du, wir haben dieses ganze Thema bis ins letzte Detail durchgesprochen, nicht nur einmal, aber…“
„Du musst nicht aberabern, schreib es doch einfach auf, ich weiß, es wird gut werden. Ich lass dich mal wieder allein, obwohl das Bett ohne dich total doof ist.“
„Hast du übrigens deinen Wunschzettel geschrieben, Madame?“ Mein Satz klingt schärfer und mahnender als beabsichtigt. Sie schaut mich mit großen Augen an und schüttelt etwas betreten den Kopf. Der kleine Teufel in mir schießt gleich noch einen hinterher:
„In acht Tagen ist schon Weihnachten, junge Frau, und wenn du nicht bald in die Pötte kommst, kann dir das Christkind leider nix unter den Weihnachtsbaum legen. Wäre jetzt nicht ganz so cool, oder?“
Ihr Gesicht wird noch etwas länger, ihre Augen noch etwas größer, missmutig, fast schon verzweifelt, atmet sie sehr hörbar durch die Nase aus, lässt ihre Schultern hängen und wendet sich ab, um mir nicht noch länger in die Augen sehen zu müssen. Die Giraffe Geena baumelt an ihrem linken Arm herunter, sie hält sie am rechten Hinterlauf, wie ich sehe. Sie dreht mir den Rücken zu und geht – durch ihren dünnen, rosafarbenen Overall, den sie Strampler nennt, schimmert etwas unverschämt ihr String durch. Weil sie barfuß läuft, höre ich ihre tapsigen Schritte auf dem Boden. Ich habe es längst aufgegeben, sie an das Tragen von Socken oder wenigstens Hausschuhen zu erinnern, stattdessen versuche ich mich von diesem, ihrem Bild loszureißen und mich auf meine, nein, unsere Geschichte zu konzentrieren. Vergeblich.
Mich beschleicht dasselbe Gefühl wie so oft in den letzten Jahren, seit mir diese unglaubliche Frau über den Weg gelaufen ist. Es, nein, SIE zieht mich wie ein Magnet an, ihre so schwer zu erklärende Welt ist ein unverzichtbarer Teil der meinen geworden… und doch fühle ich mich manchmal schuldig. Wahrscheinlich liegt sie jetzt im Bett, hat ihr Einhorn-Nachttischlämpchen angemacht, das abwechselnd in verschiedenen Farben leuchtet, ihre Giraffe eng umschlungen und schlummert mit einem hinter ihrem großen Schnuller für Erwachsene fast verborgenen, kindlichen Lächeln im Gesicht vor sich hin. Vor dem Bett stehend, würde ich sehen, dass sie ihre Bettdecke weggestrampelt hat. So unschuldig, so zufällig, so ungewollt, so unwiderstehlich. Gott sei dank schläft sie, merkt es dann nicht, dass ich sie anstarre. Und dann schäme ich mich dafür. Ich schäme mich dafür, dass ich sie küssen möchte, und all die anderen wunderbaren Sachen, die zwei Menschen tun, wenn sie sich lieben, aber dabei komme ich mir vor wie ein Schuft, wie ein Verräter. Wie ein „dirty old man“, der sich nur zu gerne an diesem so rührigen und manchmal so zerbrechlichen Mädchen vergreifen würde. Das Absurdeste daran: Ich bin gerade mal 38 Jahre alt, und sie ist 34.