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Bitte liked jedoch nicht diesen Beitrag, da er nicht vom Autor eingestellt wurde, sondern im Rahmen des Geschichtenadventskalenders.
Der Autor wird, sofern er es möchte, zeitnah hier eine Antwort posten. Diese dann bitte liken, so dass eure Likes auch bei ihm ankommen.
✵ 17. Dezember ✵
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Was du nicht willst
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von @Psycho_the_ROPEist
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Was du nicht willst
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von @Psycho_the_ROPEist
Intro
Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte, in der ich vielleicht nicht der Gute bin. Oder auch nicht mehr. Vielleicht ist es am Ende der Geschichte die Aufgabe der Lesenden (der Verstehenden), ein Urteil darüber zu fällen; über mein Verhalten, vielleicht sogar über mich. Also seien Sie sich der Verantwortung bewusst, die Ihnen mit dem Lesen (dem Verstehen) meiner Geschichte, meines Handelns zuteil wird. Und gehen Sie verantwortungsvoll damit um. Verantwortungsvoller als ich, als meine Geschichte mit dem Start des neuen Wintersemesters ihren Lauf nahm…
Teil 1: Vorlesung
Wie zu jedem Semesterbeginn musste ich - mit Erschrecken, wie ich betonen möchte - feststellen, dass sich die Anzahl der Studierenden verringert hatte. Und die Erfahrung zeigte, dass sich auch nahezu niemand zu einer der weiteren Vorlesungen einfand, wenn bereits die Auftaktveranstaltung verstrichen und verpasst war. Der Vorteil war, dass mit jedem Semester die Anzahl der zu korrigierenden Klausuren abnahm. Der Nachteil war, dass das von mir geschätzte und gelehrte Fach der Philosophie zusehends vom Radar der Hochschulverwaltung schwand. Zumindest schien es so, da mit jeder erneuten Feststellung der Renovierungsbedürftigkeit der alten Universitätsgebäude unser Umzug auf einen noch kleineren Campus besiegelt war.
So stand ich in der ersten Vorlesung des fünften Semesters vor nur noch knapp einem Dutzend mehr oder minder motivierter Studierenden (und ja, ich fragte mich, warum ich im vorherigen Halbjahr noch einundzwanzig Klausuren korrigiert hatte, wenn nun nur noch ein Bruchteil derer anwesend war, die erst vor knapp 2 Monaten in der Prüfung saßen. Und nein, es war, bis auf eine unrühmliche Ausnahme, auch sonst niemand durchgefallen!).
Nun muss ich gestehen, dass Gesichter und erst recht Namen nicht zu meinen Stärken zählen, doch bei einer derart kleinen Gruppe fällt dann sogar mir ein Gesicht auf, welches im vorherigen Semester noch nicht anwesend war. Ein auffallend hübsches Gesicht, das ließ sich nicht bestreiten.
Ihr blondes, langes Haar fiel in sanften Locken über ihre Schultern, eine einzelne Strähne hing leicht versetzt vor ihrem linken Auge. Sie war nicht, höchstens leicht, geschminkt - und mehr brauchte sie auch gar nicht. Ihr Blick war wach, vielleicht ein wenig durchdringend und bildete mit ihren geschwungenen Lippen das Gesamtbild eines sympathischen Lächelns (und das in einer Philosophie-Vorlesung; ich dachte, stets der Einzige zu sein, der diese Empfindungen zu einem solchen Anlass verspürte). „Ich bin neu”, riss mich ihre Stimme aus den Gedanken; sanft, aber selbstsicher. „Ich habe die Hochschule gewechselt. Ich brauchte, ich wollte”, korrigierte sie sich ruhig, „mal etwas Neues."
„Das freut mich”, erwiderte ich, ohne so recht zu wissen, was ich da sagte. „Willkommen!”
Rückblickend betrachtet glaube ich, dass zwischen meinem ersten Satz und dem „Willkommen” eine viel zu lange Pause lag. „Danke”, lächelte die junge Frau mit einer Mischung aus Arroganz und berechtigter Selbstsicherheit, die bei jedem anderen Menschen wohl unsympathisch gewirkt hätte, bei ihr jedoch stimmig, wenn nicht sogar ihre Attraktivität untermauernd, wirkte. Ich brauchte einen Moment, um mich zu sammeln. Wahrscheinlich entstand erneut eine viel zu lange Pause, ehe ich meine Vorlesung begann.
„Ich möchte mit Ihnen etwas Grundlegendes zum Einstieg in unser neues Thema wiederholen”, begann ich, ganz gemäß meinem Plan, welchen ich noch zuhause mehrfach vor dem Spiegel durchgegangen bin. Zumindest die ersten fünf Minuten. Oder zehn. Und gerade machte sich diese Vorbereitung mehr denn je bezahlt. Ich hatte das Gefühl, dass ihr Blick jeder meiner Bewegungen folgte, dass ihre Ohren an meinen Lippen hingen, dass ihre Aufmerksamkeit in voller Achtsamkeit auf meinen Worten ruhte. „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde”, fuhr ich fort. „Oder, einfach ausgedrückt, so zum Start des neuen Semesters: Was du nicht willst, was man dir tu, das füg’ auch keinem Ander’n zu.”
Sie sagte kein Wort, doch ich spürte und sah in ihren Augen, dass sie meine (zugegebenermaßen sehr vereinfachte und unvollständige) Übersetzung von Immanuel Kant belächelte. „Wollen Sie mir, oder besser, Immanuel Kant, widersprechen?”, fragte ich. Jetzt war ich in meinem Element. Deshalb mochte ich diese Vorlesungen - und bestenfalls volle Kurse: die aufkommenden Diskussionen erschienen mir so viel wertvoller als das bloße Durchbringen meiner Themen. Und so wollte ich diesen Abstecher auch heute zulassen. Und vielleicht ein wenig fördern, wenn sie sich auf die Diskussion einlassen wollte.
„Interessante Frage”, stellte die junge Frau fest und strich sich die Strähne aus dem Gesicht. „Würde ich widersprechen, müsste ich doch wollen, dass dies ein allgemeines Gesetz werde. Und dann müssten Sie mir widersprechen und so weiter. Ich glaube also, dass ich Ihnen nicht widersprechen möchte, auch wenn ich es könnte.”
Selten endete eine Diskussion darin, dass ich nichts mehr erwidern konnte. Ich wollte, ich wollte es so sehr, doch ich konnte nicht. Es war, als sei mein Kopf binnen weniger Sekunden auf einen beinahe pränatalen Zustand zurückgesetzt worden. „Fahren Sie doch gerne mit Ihrem Thema fort, auf das Sie hinleiten wollten”, setzte die junge Frau mit ihrer sanften Stimme an. „Zumindest hatte ich Sie so verstanden.” Ich hatte zu diesem Zeitpunkt jedes Gefühl von und für Zeit und Raum verloren. Ich gehe davon aus, dass ich meine Vorlesung irgendwie habe halten können; vielleicht hatte ich aber durch das Abfärben meiner Verwirrtheit den Studiengang heute noch ein wenig mehr ausgedünnt, das würden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Mit einem Blick auf die Uhr endete meine Vorlesung heute einige Minuten früher als im Lehrplan vorgesehen (ein Novum für mich).
Kaum hatte ich das Ende verbal kundgetan, sprangen die ersten Studierenden auf und verließen beinahe fluchtartig den Raum. „Bis nächste Woche”, rief ich - wohl einen Hauch zu verzweifelt klingend - hinterher. Ich wähnte mich schon allein im Raum stehen, während ich meine Sachen zusammenpackte, als mich die nunmehr wohl vertraute Stimme aus meinen Gedanken (oder aus meinem dissoziativen Zustand) riss. „Spannende Vorlesung. Ich glaube, mein Hochschulwechsel hat sich schon gelohnt.”
„Wo haben Sie denn vorher studiert?”, fragte ich und ärgerte mich zugleich, dass ich von allen möglichen Fragen ausgerechnet diese laut stellte. „Und erneut: Interessante Frage”, lächelte die junge Frau. „Ich würde aber gerne nochmal auf ihre letzte Frage zurückkommen.”
„Welche Frage?”, fragte ich irritiert.
„Ob ich Kant widersprechen wolle. Sie wissen schon, was du nicht willst und so”, half mir die Studentin auf die Sprünge.
„Achso, ja”, begann ich. „Und?”
„Ich wollte darauf zurückkommen und sie nicht beantworten”, lächelte sie mich an. Irgendwie hatten sich die Rollen gerade kolossal vertauscht. „Aber vielleicht finden Sie die Antwort hier”, fuhr sie fort und drückte mir einen Zettel in die Hand. „Heute Abend, ab acht Uhr. Da steht ‘ne Bank am Feldrand. Halten Sie nach Max Ausschau.”
Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging langsam die Treppen des Hörsaals hoch. Ehe sie die Tür durchschritt, drehte sie sich noch einmal um.
„Ich bin übrigens Maxime.”