13.12.2023 ✷ Zimmer mit Ausblick

      13.12.2023 ✷ Zimmer mit Ausblick

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      ✵ 13. Dezember ✵

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      Zimmer mit Ausblick

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      von threestripes

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      And he laughs tonight and says: „I finally found me
      a room with a view, how about you?

      Tony Carey – Room with a view


      Kapitel 1

      Zimmer mit Ausblick gab´s viele in meinem Leben. Nicht nur die im Urlaub, Nordirland war dabei, viel Gardasee und Toskana, Ostsee auch und sogar Holland, obwohl der Ausblick ziemlich gruselig war – im übertragenen metapsychischen Sinne. Meine Lebenszimmer haben mich von Bayern über Berlin nach Baden-Württemberg geführt - mit ganz unterschiedlichen Ausblicken, beruflich wie privat. Nicht immer schön, manchmal mit größenwahnsinnigen Schattierungen, bisweilen Ausblicke der Verzweiflung, Kapitulation allenthalben. Ich habe mich hinter meinem eigenwilligen Humor versteckt und meinen Beruf als Brandmauer hochgezogen. Ich wollte unantastbar sein, ein Phantom, mich möglichst wenig einmischen und in möglichst wenig involviert sein. Rückblickend hat das alles wohl mit dem fehlenden echten Zimmer mit Ausblick zu tun. Auch die Fotografie hat mir kein Zimmer mit Ausblick geliefert, obwohl gerade im Fetisch-Bereich erstaunliche Perspektiven geboten wurden. Selbst da blieb ich unbeteiligt, auch emotional. Manche BDSM-Praktik konnte ich nachvollziehen, britzelte in meiner Vorstellung sogar ein bisschen, aber einen echten Zugang zu dieser Welt habe ich nicht gefunden. Ganz sicher auch, weil ich ihn gar nicht finden wollte, aus Angst vor dem, was ich dabei in mir selbst hätte entdecken können.

      Tja, es hätte alles so schön sein können, ich wäre weiter vor mich hingedümpelt, auch ohne dieses Zimmer mit Ausblick, Pandoras Büchse wäre ordentlich verschlossen geblieben. Zumal ich mit meinen eigenen Kinks ja schon jahrzehntelange Grabenkämpfe ausgefochten habe. Doch tief in meinem Unterbewusstsein arbeitete das Gift „Saskia“ munter weiter. So unvorhersehbar, wie sie immer wieder in meinem Leben aufgetaucht war, so schnell war sie auch wieder verschwunden. Sendepause. Manchmal ein halbes Jahr und länger. Und immer dann, wenn ich kurz davor war, nicht mehr an sie denken zu müssen, erdreistete oder erbarmte sie sich und meldete sich aus dem Nichts wieder bei mir. Wo auch immer ich mich gerade befand, ihre geheimen Antennen hatten meine Signale empfangen und mich aufgespürt.

      Als ich ihre formlose E-Mail ohne Hallo auf meinem Account sah, hätte ich kotzen können, das Herzklopfen, das sich bei mir während des Lesens einstellte, hätte ich am liebsten zum Teufel gewünscht.

      Können wir uns treffen? Ich glaube, zwischen uns ist noch die eine oder andere Baustelle offen. Ich weiß, dass es dir genauso geht wie mir. Anfang Oktober wäre gut.
      S.

      Ob Libido auch etwas mit Zorn zu tun hat? Hat sexuelle Energie auch zerstörerische Aspekte? Ich jedenfalls war verstört, angefressen, wütend. Wie anmaßend, mich immer wieder an- und ausknipsen zu wollen, wie es ihr gerade passt.
      Fast eine Woche habe ich mit mir gerungen, bis ich ihr eine Antwort gab. Sie war nicht minder spröde als ihre Nachricht.

      7.10.2023, 19 Uhr, Ort des Treffens

      Welche Baustellen sie noch offen hatte, war mir ziemlich egal. Beim vorherigen Mal hatten wir uns auf einem Weihnachtsmarkt getroffen, und ihr letzter Satz war: „Mit dir könnte ich mir so ziemlich alles vorstellen.“

      Konnte ich mir das auch? Bei näherer Betrachtung musste ich mir selbst eingestehen, dass ich bisher diese Frage ganz weit von mir weggeschoben hatte. Mein Inneres sträubte sich förmlich gegen jede Art von Verbindlichkeit und Nähe, insbesondere, was ihre Person betraf. Und irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, vor Saskia Angst zu haben. Worauf diese Angst fußte, wusste ich selbst nicht. Aber ich musste es herausfinden, und nicht nur das. Ich musste für klare Verhältnisse sorgen, so oder so, das war ich alleine schon mir selbst schuldig. Andererseits, bei Saskia wusste man ja nie so genau.
      Kapitel 2

      Hätte man die nun folgenden Szenerie von außen - als Zuschauer - betrachtet, wäre die Struktur des Raumes nicht erkennbar gewesen, dazu war es viel zu dunkel. Aber er musste groß sein, das konnte man hören, wenn ich vor ihr auf- und ablief. Die Schritte meiner lederbesohlten Schuhe hallten beträchtlich, der Steinboden verstärkte den Effekt noch, diesen Klang mochte ich schon immer sehr. Vor mir, auf einem massiven Stuhl aus Holz mit Armlehnen, saß sie, beleuchtet nur von einer einzigen Lampe, die einen hellen Lichtkreis um sie warf, der sich aber schon nach gut zwei Metern in der Dunkelheit verlor. Aber es war angenehm warm, dafür hatte ich im Vorfeld bereits gesorgt. Bekleidet war sie nur mit einem schwarzen Body, „Yes daddy“ stand vorne drauf in geschwungenen Lettern in glitzerndem Pink. Breitbeinig saß sie vor mir auf dem Stuhl, sie konnte auch gar nicht anders, denn ihre Fußgelenke waren mit schweren Lederriemen an den Stuhlbeinen fixiert. Ihre Unterarme, ebenfalls fixiert, ruhten auf den Armlehnen. So stand ich also vor ihr, leicht grinsend, und genoss den Anblick, starrte kurz fasziniert auf ihren Schritt. Die Druckknöpfe ihres Bodys warteten irgendwie schon darauf, mit einem entschlossenen „Ratsch“ geöffnet zu werden, dann würde ich mir in aller Ruhe ihre Pussy betrachten. Wahrscheinlich grinste ich bei dem Gedanken noch mehr, aber das konnte sie nicht sehen, denn ihre Augen waren mit einem blickdichten, breiten Satinband in Schwarz verbunden.

      Ganz ruhig und duldsam sitzt sie vor mir und weiß nicht genau, was sie erwartet. Wir hatten im Vorfeld bereits darüber gesprochen, was wir uns vorstellen könnten, Phantasien ausgetauscht und uns gegenseitig mit Worten allerlei erotischen Inhalts heiß gemacht. Manche davon haben mich eher verwirrt und erschreckt, aber das behielt ich für mich. Was genau passieren würde, blieb eher vage. Sie leckt sich über ihre trockenen Lippen und ich gebe ihr zu trinken, halte ihr den Strohhalm an den Mund, sie trinkt gierig aus dem Wasserglas und sagt artig: „Danke.“ Mit leicht piepsiger Stimme. So herzallerliebst und brav, dass mir nur bei diesem Danke schon fast das Herz bricht vor Rührung. Sie ist so liebenswert, so ausgeliefert, so hilflos und gleichzeitig so schamlos, aufreizend und lasziv, ohne es aber bewusst einzusetzen. Sie wirkt auch sehr fragil, fast etwas kindlich und harrt tapfer der Dinge, von denen sie noch nichts ahnt, sodass ich ihr sofort sagen möchte: „Du bist sicher, Kleine.“ Und dann schäume ich innerlich auf vor Fürsorge und Mitleid und Liebe, und würde sie so gerne befreien und in den Arm nehmen, aber das geht jetzt nicht. Noch nicht. Weil ich noch ein bisschen was vorhabe mit ihr. Ich Ferkel ich.

      Nahtod-Erfahrung. Oder out of body-experience. Oder irgendwas dazwischen. Du betrachtest die Szenerie aus einer Entfernung von vier bis fünf Metern über dem Boden, erkennst dich und die Frau, die dich so heiß macht und grinst dir eins. Dann schlüpfst du wieder rein in deinen Körper und fühlst dich gleichzeitig total bekifft und so klar und ruhig und gelassen, ja, du suhlst dich förmlich in diesem Übermaß an Bewusstsein für diese eine „Situation“. Deine Sinne sind so geschärft, dass du wahrscheinlich im Nebenraum Fliegen husten hören könntest. Dabei fühlst du dich selbst eigentlich kaum, deine Erektion ist vernachlässigbar, es geht nicht mal mehr darum, dich auszuprobieren oder Phantasien auszuleben. Alles Erlebbare hat sich auf eine andere Ebene katapultiert, die man wohl am besten als „Kollektiv“, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes beschreiben könnte. Du bist ihr Körper, du befeuerst ihre Lust, noch bevor sie von dieser überhaupt weiß und erahnst bereits ihren Schmerz, den sie noch nicht kennt, aber voller Begierde darauf wartet.

      Dabei hab ich keinerlei Ahnung von dem, was ich da tue, als meine Hand ein weiteres Mal gegen ihren Popo knallt, den sie mir freundlicherweise so entzückend entgegenstreckt. Naja, sie kann nicht anders, ich habe sie jetzt übers Knie gelegt. Oh ja, der Schlag hat gesessen, das merke ich beim Aufprall meiner Hand, und wie der gezogen hat. Zeitgleich höre ich ihr unterdrücktes Stöhnen. Die Konturen meiner Finger zeichnen sich deutlich auf ihrer linken Pobacke ab und ich freue mich. Leichthin sage ich eher zu mir selbst: „Das sieht man bestimmt morgen noch…“
      Ihre Antwort: „Quatsch, da musst du schon ein bisschen mehr Gas geben, damit man dauerhaft was sieht.“ Sie kichert.

      Und ich bin irgendwie enttäuscht ob meiner Performance und beschließe, sie deswegen mit einem festen Tuch zu knebeln. Selbst schuld, wenn sie meint, mir die lustbringenden Illusionen eines blutigen Anfängers zu rauben. Fakt ist, dass sie zuvor schon ziemlich nass war und ohnehin wegen der Augenbinde nichts sehen kann, aber auf den Knebel reagiert sie erstaunlich heftig. Ich stelle sie auf die Beine und betrachte das Bild vor mir. Aus ihren Mundwinkeln tropft bereits jetzt etwas Speichel, sie gibt einen Laut von sich, der irgendwo zwischen Geringschätzung, Ärger und Geilheit liegt. Sie berührt ihre Pussy ziemlich unsittlich, teils um sich zu streicheln und ihre Lust zu kanalisieren, teils wie eine Art Übersprungshandlung aus Verlegenheit oder Scham. Ich gebe zu, dass ich fast platze vor Lust. Also laufe ich um sie herum, streichel ihre gerötete Pobacke und lande sofort darauf einen weiteren Schlag auf die exakt selbe Stelle. Ihr Stöhnen klingt in meinen Ohren wie eine Liebeserklärung und ich weiß, dass es spätestens jetzt um mich geschehen ist. Ich habe endlich mein Zimmer mit Ausblick. Unser Zimmer. Scheinbar geht es ihr ähnlich, sie ist unendlich nass zwischen ihren Beinen. Aber eine Penetration kann noch warten, obwohl mir das grade ziemlich schwerfällt, das Warten.

      Wir haben noch so viel Zeit zusammen, und noch so viel gemeinsam zu entdecken, diese Wahnsinnige und ich. Dann tastet sie nach mir und fällt mir so heftig und so innig in meine Arme wie ein Kind. Wir müssen beide lachen.
      Kapitel 3

      Solltet ihr jetzt glauben, dass dieses Intermezzo an jenem besagten Tag mit Saskia stattgefunden hat, muss ich euch leider enttäuschen. Die Sache mit Saskia hat sich ganz kurz und schmerzlos ein für alle Mal erledigt. Ich habe beschlossen, ihr keinen weiteren Raum mehr in meinem Leben zuzubilligen, und schon gar nicht mit Ausblick. So ist das nun mal im Leben. Ich zitiere aus einer bayerischen Vorabendserie aus den 80er-Jahren: „Es gibt a Zeit, do geht’s midanand, und es gibt a Zeit, do geht’s ausanand.“ So war das mit Saskia und mir.

      Zur Erklärung: Saskia war der Beginn einer Geschichte, die ich nie fertig erzählt habe. Die ich gar nicht fertig erzählen konnte, weil mir das letzte Bindeglied gefehlt hat. Wenn man so will, sind Saskia und ich an einem toten Punkt angelangt. Doch dann haben sich die Vorzeichen geändert. Ich habe eine Frau kennengelernt und auf einmal begann ich, zu verstehen. Auf einmal gingen Türen auf, von denen ich gar nicht wusste, dass sie überhaupt existieren. Diese Frau hat meinen Kopfsalat beseitigt und mir vieles aus dem Gehirn entfernt, das man man grob mit „Handbremse“ umreißen könnte. Seit langem habe ich zum ersten Mal wieder das Gefühl, mich wider Erwarten doch weiterentwickeln zu können. Und damit hat sich für mich auch die Bringschuld ergeben, die Geschichte mit Saskia fertig zu erzählen. So ist es quasi auch meine Pflicht, meine geliebten und gehassten Charaktere verschwinden zu lassen, wenn eine Geschichte zu Ende erzählt ist.

      Saskia war, wenn man so will, nur eine Krücke für mich, oder eine Brücke auf meinem Weg zu mir selbst. Saskia, nur eine Illusion? Naja, ich habe sie erfunden, sie ist ein Konglomerat verschiedener Frauen und Beziehungen, die ich im Laufe meines Lebens führen musste oder durfte. Deshalb ist Saskia wahrscheinlich auch so schräg und spröde. Aber ich habe mich mit diesem Spukbild auf eine Reise begeben, mit ungewissem Ausgang. Eine Reise an den Rand meines Ichs, wenn man so will. Und diese Saskia hat auf dieser Reise durchaus Eigenleben entwickelt, das irgendwann schwer zu kontrollieren wurde. Wäre sie nicht so sperrig und eigenwillig gewesen, hätte ich niemals den Weg in mein Zimmer mit Ausblick gefunden. Darin kann ich Ferkel sein, züchtigend auch. Aber vor allem liebevoller Partner, Aufpasser und vieles mehr, was man eben so ist, wenn man jemanden lieb hat. Dann ist man einfach man selbst. In diesem besten Sinne bin ich angekommen und das Kapitel Saskia ist beendet, ich habe mich „freigeschrieben“. Ich habe nicht nur eine tolle Partnerin gefunden, ich habe sogar einen Adventskalender bekommen. Später, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommt, werde ich das kleine Päckchen, den 13. Dezember öffnen und weiß nicht, wer von uns beiden sich darüber mehr freuen wird. Sie freut sich dann wie ein kleines Kind, wenn ich mich über ihr Geschenk freue. Das ist nur einer von vielen Aspekten, die ich an ihr liebe. Ihr Adventskalendertürchen hingegen muss sie erst suchen, so ähnlich wie an Ostern. Dann leuchten ihre Augen. Und wenn sie ganz brav ist, und das ist sie meistens, dann hole ich später noch das kleine Holzbrett mit Griff aus der Küche und freue mich auf ihr erstes unterdrücktes „Au“. Und sie auch.

      Schon schräg, wie sich manche Fragen, die man jahrelang mit sich herumschleppt, auf einmal wie von selbst erledigen. Und dafür muss ich dieser komischen Saskia fast schon wieder dankbar sein. Und komme zu dem Schluss, dass ich meine Schreiberei jetzt ruhigen Gewissens an den Nagel hängen kann. Ich danke euch fürs Lesen.


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      Wenn euch die Geschichte gefallen hat, dann freut sich der Autor über eure Likes und Kommentare!
      Bitte liked jedoch nicht diesen Beitrag, da er nicht vom Autor eingestellt wurde, sondern im Rahmen des Geschichtenadventskalenders.
      Der Autor wird, sofern er es möchte, zeitnah hier eine Antwort posten. Diese dann bitte liken, so dass eure Likes auch bei ihm ankommen.
      Vielen Dank lieber @threestripes :blumen:
      An der Stelle "Aber vor allem liebevoller Partner, Aufpasser und vieles mehr, was man eben so ist, wenn man jemanden lieb hat. Dann ist man einfach man selbst. In diesem besten Sinne bin ich angekommen..." kamen mir gleich ein paar Tränenchen...

      Das was Du für Deine Partnerin sein kannst, habe ich auch als Geschenk in Gestalt meines Partners bekommen...auch mit einer züchtigend Seite... ;)

      Vielen Dank für Deinen Aus-/Einblick. :)
      Lieber @threestripes, vielen Dank für die literarische Lebens- und Liebesbeichte.

      Es ist ja gar nicht so oft der Fall, dass man über die turbulente Gefühlswelt eines dominanten Mannes lesen kann. Mich hat es schon gepackt, wie Du mit dem Unkonkreten und doch Nachvollziehbaren jongliert hast. Beim Lesen hast Du ein Bauchgefühl transportiert.

      Vielen Dank und viel Glück, die Aussichten scheinen ja gut zu sein. :thumbup:
      Mit einer verliebten Frau kann man alles tun, was sie will.
      (Gustav Klimt)