Im Bücherschrank einer Freundin habe ich das Buch „Erotische Intelligenz“ des amerikanischen Psychoanalytikers und Sexualtherapeuten Jack Morin entdeckt.
Es hat jetzt keinen direkten BDSM-Bezug außer ein paar BDSM-lastigen Beispielen. Aber zu wissen, was Erotik ausmacht, sein eigenes Bewusstsein dafür zu schärfen, ist glaube ich für jede Art von Sexualität hilfreich. Vieles dabei kennt man intuitiv, allen Facetten ist man sich aber nicht unbedingt bewusst.
Ich fand das Buch jedenfalls sehr interessant und will deshalb mal versuchen, das Grundlegende zusammenzufassen.
Gerade als Anfänger im BDSM und evtl. auch noch unsicher über die Ausprägung seiner Neigungen, kann man sich selbst dadurch vielleicht etwas besser kennen lernen.
Der Autor beschäftigt sich mit der Frage, wie unser Bewusstsein sex. Lust erzeugen, intensivieren oder hemmen kann. Denn nur, wer sich um seine Erregung kümmert, kann ein aufregendes und befriedigendes Sexualleben haben.
Sex ist eine einfache, Erotik eine komplexe Angelegenheit und mit unseren Hoffnungen, Erwartungen, Kämpfen und Ängsten verbunden. Erst aus dieser Komplexität entsteht wahre Leidenschaft. Das bedeutet, man muss sich über sein eigenes erotisches Bewusstsein klar werden.
Bei dieser erotischen Selbsterfahrung soll man 3 Punkte beachten:
1. Werturteile vermeiden
Erst wenn man es schafft, alle wertenden, kritischen Urteile lange genug auszusetzen, kann man das wahrnehmen, was wirklich in einem stattfindet. Werturteile sind z. B. moralische Doktrine; Erfahrungen, dass das, was einen erregt, nicht mit seinen Idealen übereinstimmt. Wenn man erkennt, was die kritische Reaktion auslöst, kann man zukünftig entscheiden, ob man diese Kritik wiederholen oder vermeiden will.
2. Sich selbst vertrauen
Häufig ist es so, dass man in seiner Erziehung bzgl. der Sexualität ein ungutes Gefühl vermittelt bekam. Das kann inneren Widerstand und eine eingeschränkte Vorstellungskraft erzeugen. Sich seine Gefühle einzugestehen, seine erotischen Bedürfnisse zu akzeptieren, zu erkennen, dass dies eine Kraft ist, die einen wachsen lässt, kann das Selbstvertrauen langsam aufbauen.
3. Vorsichtig sein
Aus Angst, verurteilt oder abgelehnt zu werden, hat das erotische Bewusstsein ein Geschick entwickelt, sich zu verbergen. Das lange Verborgene sollte man geduldig und vorsichtig aufdecken indem man sich ermutigt, immer mehr zu sehen, zu verstehen, zu akzeptieren und zu genießen. Dabei kann es auch mal sinnvoll sein, zurück zu schrauben, wenn man inneren Widerstand spürt.
Für seine Studien hat Morin einen Fragebogen entwickelt, den Sexual Excitement Survey (SES). Dabei geht es um Begegnungen im wirklichen Leben und um erotische Phantasien.
Zunächst soll man sich auf seine realen Begegnungen konzentrieren (es können welche mit Sex sein bis hin zu welchen, die nur visuell und ohne Berührung waren), die zu den erregendsten seines Lebens zählen und eine davon detailliert aufschreiben. Dann ergründet man, warum diese so erregend war.
Bei der erotischen Phantasie soll man diejenige aufschreiben, durch die man am ehesten sexuell erregt wird, sowie den Moment größter Erregung dabei. Auch hier fragt man sich wieder, was die Phantasie so erregend macht.
Wichtig dabei ist auch, welche Beziehung man zu dem Partner der Begegnung hatte, z. B. anonym, Bekanntschaft, Lebenspartner, mehrere Partner.
Zwischen den Details der realen Erfahrungen und der Phantasien wird es Unterschiede geben. Erstere können Zufälle sein oder Gelegenheiten, die man ergreift, aber nicht verursacht. Bei den Phantasien kann man die erregenden Momente selbst auswählen und kontrollieren.
Diese Beobachtungen können in einer Art erotischem Tagebuch fortgeführt werden, wo man Erinnerungen, Gefühle, Eindrücke notiert.
Die erotische Gleichung:
Morin stellt eine erotische Gleichung auf: Anziehung + Hindernisse = Erregung
Zunächst wird man vom Objekt der Begierde angezogen. Man sieht Qualitäten im anderen, wünscht sich, dass der andere auch welche in einem selbst erkennt.
Eine wirklich heftige erotische Reaktion passiert aber erst, wenn man auf Hemmnisse stößt, die man überwinden muss. Hindernisse erregen Menschen mindestens genau so oft, wie sie das Gegenteil bewirken. Ein sex. Bedürfnis entsteht nur selten und ist niemals intensiv, wenn der Betroffene an seinem Partner oder in der Situation selbst nicht irgendetwas erkennt, das seinem Wunsch entgegensteht. Dieser Widerstand kann ein Zögern des Partners sein, die Missbilligung Außenstehender oder jedes andere Hindernis, das die Sache komplizierter macht.
4 Ecksteine der Erotik:
Laut Morin existieren 4 Ecksteine der Erotik. Wenn man merkt, dass ein Eckstein häufiger in der eigenen Sexualität oder den Phantasien auftritt, hat er wahrscheinlich einen wichtigen Platz in der Sexualität.
Eckstein 1: Sehnsucht und Erwartung
Als Menschen sind wir in der Lage, uns jemanden vorzustellen, den wir begehren, aber nicht haben. Sehnsucht richtet sich also immer auf das, was fehlt oder nicht ausreichend zur Verfügung steht. Die Phantasie ist damit gekoppelt. Situationen, in denen wir einen Vorgeschmack von dem erhalten, was wir uns wünschen, sind besonders dazu prädestiniert, dass wir uns immer wieder an sie erinnern. Sehnsucht erreicht den Höhepunkt, wenn die Umstände zu einer teilweisen oder zeitweise eintretenden Befriedigung führen.
Erwartung ist eine Variation der Sehnsucht, aber auf ein Ziel konzentriert, das nahe scheint.
Menschen, die mit Vorliebe Sehnsucht empfinden, ziehen es vor, ihre Erregung langsam aufzubauen.
Eckstein 2: Verbote verletzen
Jede Gesellschaft versucht, sex. Verhalten einzuschränken. Diese Schranken zu überschreiten, kann unser Lustempfinden steigern. Dieser „Unanständigkeitsfaktor“ wird durch 2 Situationen am ehesten aktiviert:
1. Das Risiko erwischt oder entdeckt zu werden und
2. Ein Sichhingezogenfühlen zu einem Partner, der missbilligt wird.
In einer sex. repressiven Umgebung aufgewachsen zu sein, kann den Hang zum Unanständigkeitsfaktor erhöhen und die Erregung, die man daraus zieht.
Eckstein 3: Suche nach Macht
Die Suche nach Macht geht immer mit einem Überwinden von Hindernissen einher. Wenn Machtmechanismen sich mit erregenden Erfahrungen mischen, sagt die erotische Gleichung voraus, dass die Reaktionen dadurch intensiviert werden.
Eckstein 4: Überwinden von Ambivalenz
Ambivalenz als Erfahrung gemischter Gefühle in einem größeren Kontext, z. B. innerer Konflikt zwischen Faszination und Angst oder sich zu jemandem magisch hingezogen zu fühlen und ihn gleichzeitig abstoßend zu finden. Diese Energie widersprüchlicher Gefühle kann sich in Lust verwandeln, wenn diese Ambivalenz für einen Moment verschwunden/überwunden ist.
Keiner dieser Ecksteine ist für eine sex. Erregung notwendig, aber sie sind sehr effektiv, die Erregung zu verstärken. Auf Ecksteine, die am häufigsten Teil der eigenen frühesten Erfahrung von Erregung waren, wird man wahrscheinlich auch heute noch reagieren.
Fast alles, was uns erregt, kann unter bestimmten Umständen unsere Erregung schmälern und fast alles, was uns sexuell hemmt, kann sich später als erregend heraus stellen. Dies stellt den Reichtum und die Komplexität unseres erotischen Bewusstseins dar.
Es hat jetzt keinen direkten BDSM-Bezug außer ein paar BDSM-lastigen Beispielen. Aber zu wissen, was Erotik ausmacht, sein eigenes Bewusstsein dafür zu schärfen, ist glaube ich für jede Art von Sexualität hilfreich. Vieles dabei kennt man intuitiv, allen Facetten ist man sich aber nicht unbedingt bewusst.
Ich fand das Buch jedenfalls sehr interessant und will deshalb mal versuchen, das Grundlegende zusammenzufassen.
Gerade als Anfänger im BDSM und evtl. auch noch unsicher über die Ausprägung seiner Neigungen, kann man sich selbst dadurch vielleicht etwas besser kennen lernen.
Der Autor beschäftigt sich mit der Frage, wie unser Bewusstsein sex. Lust erzeugen, intensivieren oder hemmen kann. Denn nur, wer sich um seine Erregung kümmert, kann ein aufregendes und befriedigendes Sexualleben haben.
Sex ist eine einfache, Erotik eine komplexe Angelegenheit und mit unseren Hoffnungen, Erwartungen, Kämpfen und Ängsten verbunden. Erst aus dieser Komplexität entsteht wahre Leidenschaft. Das bedeutet, man muss sich über sein eigenes erotisches Bewusstsein klar werden.
Bei dieser erotischen Selbsterfahrung soll man 3 Punkte beachten:
1. Werturteile vermeiden
Erst wenn man es schafft, alle wertenden, kritischen Urteile lange genug auszusetzen, kann man das wahrnehmen, was wirklich in einem stattfindet. Werturteile sind z. B. moralische Doktrine; Erfahrungen, dass das, was einen erregt, nicht mit seinen Idealen übereinstimmt. Wenn man erkennt, was die kritische Reaktion auslöst, kann man zukünftig entscheiden, ob man diese Kritik wiederholen oder vermeiden will.
2. Sich selbst vertrauen
Häufig ist es so, dass man in seiner Erziehung bzgl. der Sexualität ein ungutes Gefühl vermittelt bekam. Das kann inneren Widerstand und eine eingeschränkte Vorstellungskraft erzeugen. Sich seine Gefühle einzugestehen, seine erotischen Bedürfnisse zu akzeptieren, zu erkennen, dass dies eine Kraft ist, die einen wachsen lässt, kann das Selbstvertrauen langsam aufbauen.
3. Vorsichtig sein
Aus Angst, verurteilt oder abgelehnt zu werden, hat das erotische Bewusstsein ein Geschick entwickelt, sich zu verbergen. Das lange Verborgene sollte man geduldig und vorsichtig aufdecken indem man sich ermutigt, immer mehr zu sehen, zu verstehen, zu akzeptieren und zu genießen. Dabei kann es auch mal sinnvoll sein, zurück zu schrauben, wenn man inneren Widerstand spürt.
Für seine Studien hat Morin einen Fragebogen entwickelt, den Sexual Excitement Survey (SES). Dabei geht es um Begegnungen im wirklichen Leben und um erotische Phantasien.
Zunächst soll man sich auf seine realen Begegnungen konzentrieren (es können welche mit Sex sein bis hin zu welchen, die nur visuell und ohne Berührung waren), die zu den erregendsten seines Lebens zählen und eine davon detailliert aufschreiben. Dann ergründet man, warum diese so erregend war.
Bei der erotischen Phantasie soll man diejenige aufschreiben, durch die man am ehesten sexuell erregt wird, sowie den Moment größter Erregung dabei. Auch hier fragt man sich wieder, was die Phantasie so erregend macht.
Wichtig dabei ist auch, welche Beziehung man zu dem Partner der Begegnung hatte, z. B. anonym, Bekanntschaft, Lebenspartner, mehrere Partner.
Zwischen den Details der realen Erfahrungen und der Phantasien wird es Unterschiede geben. Erstere können Zufälle sein oder Gelegenheiten, die man ergreift, aber nicht verursacht. Bei den Phantasien kann man die erregenden Momente selbst auswählen und kontrollieren.
Diese Beobachtungen können in einer Art erotischem Tagebuch fortgeführt werden, wo man Erinnerungen, Gefühle, Eindrücke notiert.
Die erotische Gleichung:
Morin stellt eine erotische Gleichung auf: Anziehung + Hindernisse = Erregung
Zunächst wird man vom Objekt der Begierde angezogen. Man sieht Qualitäten im anderen, wünscht sich, dass der andere auch welche in einem selbst erkennt.
Eine wirklich heftige erotische Reaktion passiert aber erst, wenn man auf Hemmnisse stößt, die man überwinden muss. Hindernisse erregen Menschen mindestens genau so oft, wie sie das Gegenteil bewirken. Ein sex. Bedürfnis entsteht nur selten und ist niemals intensiv, wenn der Betroffene an seinem Partner oder in der Situation selbst nicht irgendetwas erkennt, das seinem Wunsch entgegensteht. Dieser Widerstand kann ein Zögern des Partners sein, die Missbilligung Außenstehender oder jedes andere Hindernis, das die Sache komplizierter macht.
4 Ecksteine der Erotik:
Laut Morin existieren 4 Ecksteine der Erotik. Wenn man merkt, dass ein Eckstein häufiger in der eigenen Sexualität oder den Phantasien auftritt, hat er wahrscheinlich einen wichtigen Platz in der Sexualität.
Eckstein 1: Sehnsucht und Erwartung
Als Menschen sind wir in der Lage, uns jemanden vorzustellen, den wir begehren, aber nicht haben. Sehnsucht richtet sich also immer auf das, was fehlt oder nicht ausreichend zur Verfügung steht. Die Phantasie ist damit gekoppelt. Situationen, in denen wir einen Vorgeschmack von dem erhalten, was wir uns wünschen, sind besonders dazu prädestiniert, dass wir uns immer wieder an sie erinnern. Sehnsucht erreicht den Höhepunkt, wenn die Umstände zu einer teilweisen oder zeitweise eintretenden Befriedigung führen.
Erwartung ist eine Variation der Sehnsucht, aber auf ein Ziel konzentriert, das nahe scheint.
Menschen, die mit Vorliebe Sehnsucht empfinden, ziehen es vor, ihre Erregung langsam aufzubauen.
Eckstein 2: Verbote verletzen
Jede Gesellschaft versucht, sex. Verhalten einzuschränken. Diese Schranken zu überschreiten, kann unser Lustempfinden steigern. Dieser „Unanständigkeitsfaktor“ wird durch 2 Situationen am ehesten aktiviert:
1. Das Risiko erwischt oder entdeckt zu werden und
2. Ein Sichhingezogenfühlen zu einem Partner, der missbilligt wird.
In einer sex. repressiven Umgebung aufgewachsen zu sein, kann den Hang zum Unanständigkeitsfaktor erhöhen und die Erregung, die man daraus zieht.
Eckstein 3: Suche nach Macht
Die Suche nach Macht geht immer mit einem Überwinden von Hindernissen einher. Wenn Machtmechanismen sich mit erregenden Erfahrungen mischen, sagt die erotische Gleichung voraus, dass die Reaktionen dadurch intensiviert werden.
Eckstein 4: Überwinden von Ambivalenz
Ambivalenz als Erfahrung gemischter Gefühle in einem größeren Kontext, z. B. innerer Konflikt zwischen Faszination und Angst oder sich zu jemandem magisch hingezogen zu fühlen und ihn gleichzeitig abstoßend zu finden. Diese Energie widersprüchlicher Gefühle kann sich in Lust verwandeln, wenn diese Ambivalenz für einen Moment verschwunden/überwunden ist.
Keiner dieser Ecksteine ist für eine sex. Erregung notwendig, aber sie sind sehr effektiv, die Erregung zu verstärken. Auf Ecksteine, die am häufigsten Teil der eigenen frühesten Erfahrung von Erregung waren, wird man wahrscheinlich auch heute noch reagieren.
Fast alles, was uns erregt, kann unter bestimmten Umständen unsere Erregung schmälern und fast alles, was uns sexuell hemmt, kann sich später als erregend heraus stellen. Dies stellt den Reichtum und die Komplexität unseres erotischen Bewusstseins dar.
Feel free to say no, be brave to say yes.