Was bedeutet Demut?

      Was bedeutet Demut?

      Liebe Mitforisten,

      durch den Thread Demütigung - Erregung? wurde für mich sehr deutlich, wie unterscheidlich das Wort Demut verstanden wird.


      Um ein wenig Klarheit für mich zu gewinnen, zog ich Wiki zu Rate. Das war für mich höchst unbefriedigend, denn Wiki verwies nur auf das breite Feld der Bedeutung der Demut. Hier ein paar 'Schmankerl':
      • WORTHERKUNFT: von althochdeutsch diomuoti (‚dienstwillig‘, also eigentlich ‚Gesinnung eines Dienenden‘) ... Die Wurzel des verwendeten hebräischen Wortes enthält die Bedeutungen von „sich beugen“ oder „herabbeugen“
      • ZU UNTERSCHEIDEN ist... zwischen Demut und Demütigung als öffentlicher Erniedrigung oder Beschämung, die der Starke dem Schwachen zufügt
      • CHRISTL/JÜDISCHE RELIGION: Demut beschreibt demnach die innere Einstellung eines Menschen zu Gott. .. in der heutigen christlichen Spiritualität {wird} Demut nicht als ein Sich-klein-Machen oder als Leugnen des eigenen Wertes gesehen, sondern als realistische Selbsteinschätzung des Menschen in seiner Position in der Welt.


      Bei Spiegel Online fand ich eine sehr interessante Interviewreihe, deren Leitartikel den Titel Die Wiederkehr der Demut trägt. Nachfolgend poste ich Auszüge aus den Interviews:

      SPIEGEL ONLINE: Was heißt es denn, demütig zu sein?
      • Wolfgang Thierse: Demut ist das Bewusstsein von der Erbarmungswürdigkeit des Menschen. Das Bewusstsein, dass man Fehler und Irrtümer begeht und darauf angewiesen ist, dass einem andere verzeihen und vergeben und man selbst dazu bereit ist. Eine tiefere Einsicht in die Fehlbarkeit der eigenen Person. Und das Gefühl der Dankbarkeit für das, was gelingt.
      SPIEGEL ONLINE: Ist das der Inbegriff von Demut?
      • Franz-Josef Bode: Ja, ich würde sagen der Geschöpflichkeit. ... Es steckt eine realistische Einschätzung seiner selbst darin.
      SPIEGEL ONLINE: Würden Sie sich heute, nüchtern, als demütigen Menschen bezeichnen?
      • Konstantin Wecker: In vielen Dingen ja. Man ist demütig, wenn man weiß, dass man eine Begabung hat aber nicht weiß, woher sie kommt. Sie also ein Geschenk ist, das man sich nicht erarbeiten kann. ... das ist nicht mein Verdienst.


      Jetzt interessiert mich brennend:
      1. Was bedeutet für euch Demut? Was versteht ihr darunter?
      2. Was bedeutet Demut im Kontext eures BDSM?
      3. Gibt es die Demut des Doms? - Oft wird im Kontext des BDSM von der Demut des sich unterwerfenden gesprochen. Doch, was ist, wenn man Demut als eine "realistischen Einschätzung seiner selbst" begreift? Ist unter diesem Gesichtspunkt nicht auch die Demut des Doms ein sehr hohes Gut?

      Auf eure Meinungen bin ich sehr gespannt.

      Vielen Dank.
      Luna
      In dem von dir @Luna genannten Thread habe ich dies hier geschrieben:


      Rozabel schrieb:

      Demut und Demütigung sind zwei paar Schuh und nicht das Gleiche und beides kann so wohl positiv als auch negativ sein je nach dem wen man fragt und derjenige es empfindet.

      Im BDSM-Kontext:

      Positive Demut bedeutet Sub erkennt Dom als über ihr stehend, als führend an. Sub ordnet sich unter.

      Negative Demut ist meist mehr Schein, entstanden aus Angst vor seinem gewalttätigen Partner zb. das heißt Sub kuscht und duckt sich damit Dom Ruhe gibt, zufrieden ist und sie nicht unnötig schlägt etc.

      Positive Demütigung bedeutet die Demütigung die Dom seiner Sub zufügt empfindet sie zwar auch als solche aber zieht daraus auch einen Teil ihrer Erregung.

      Negative Demütigung ist es wenn Dom seine Sub auf psychisch schädliche Art demütigt in dem er ihr zb. mit Worten immer wieder sagt und das Gefühl gibt ein Nichts zu sein, nichts wert zu sein so das Sub ihr Selbstwertgefühl verliert und anfängt diesen Worten zu glauben.

      Es gibt auch positive und negative Erregung. Die positive endet meist in einem Orgasmus oder sonstiger Erfüllung *gg* und die negative entsteht zb. wenn eine Frau einen Mann missbraucht, auch wenn er es absolut nicht will man kann den Körper dazu bringen den Geist zu verraten und dann wird der Penis steif. Sie stellt es dann so hin das er es ja wollte denn schließlich war er ja auch erregt.


      So sehe ich diese Dinge also es ist meine Einschätzung, meine Empfindung und hat somit keine Allgemeingültigkeit



      Damit wären die Fragen 1 und 2 beantwortet.

      Frage 3: Ja gibt es.

      Für mich persönlich klingt dieses "realistische Einschätzung seiner Selbst" total blöd, damit kann ich mich absolut nicht identifizieren.

      Für mich bedeutet die Demut eines Doms das er/sie das Geschenk seiner/ihrer Sub auf einer tieferen Ebene als nur oberflächlich annimmt. Und mit Geschenk meine ich das Sub sich hingibt, unterordnet, ihr Vertrauen, im Grunde sich selbst schenkt.
      Komm zu mir in die Hölle :evilfire: und ich zeige dir das Paradies... :domina:


      Nosce te ipsum!
      (Erkenne dich selbst)

      WORTHERKUNFT: von althochdeutsch diomuoti (‚dienstwillig‘, also eigentlich ‚Gesinnung eines Dienenden‘) ... Die Wurzel des verwendeten hebräischen Wortes enthält die Bedeutungen von „sich beugen“ oder „herabbeugen“]


      Der Ausdruck "Gesinnung eines Dienenden" passt für mich im Kontext des BDSM sehr gut. Für mich bedeutet das die Sehnsucht danach und die Freude daran, jemandem zu dienen, seine Wünsche zu erfüllen und sich ihm hinzugeben.

      SPIEGEL ONLINE: Was heißt es denn, demütig zu sein?

      Wolfgang Thierse:
      Demut ist das Bewusstsein von der Erbarmungswürdigkeit des Menschen.
      Das Bewusstsein, dass man Fehler und Irrtümer begeht und darauf
      angewiesen ist, dass einem andere verzeihen und vergeben und man selbst
      dazu bereit ist. Eine tiefere Einsicht in die Fehlbarkeit der eigenen
      Person. Und das Gefühl der Dankbarkeit für das, was gelingt.


      Demut hat für mich, wie in diesem Zitat beschrieben, auch damit zu tun, dass man dankbar ist für das, was man hat und es zu schätzen weiß und nicht als Selbstverständlichkeit ansieht. In dem Sinne sollte auch ein Dom demütig sein und seine Sub schätzen.

      Ansonsten schließe ich mich Rozabel an.
      Demut ist ein Gefühl weniger zu sein und dagegen auch nichts machen zu können oder eben etwas Vollkommenes zu erblicken und daraufhin seinen Platz in der Schöpfung zu überdenken.

      Wenn ich eine Naturgewalt sehe bin ich demütig, sie kann mich hinwegspülen/-brennen/-blasen und ich kann nichts dagegen tun. Ein faszinierendes Kunstwerk kann mich demütig machen und auch bei einer Sub kann ich Demut empfinden. Nicht weil ich sie als besser erachte sondern weil ihre Hingabe oder auch ihr Körper einfach vollkommen erscheint.

      Demut bedeutet für mich aber nicht mich unterzuordnen, ich werde weder vor einem Gemälde noch einer Sub knien, aber sie eben noch mehr schätzen wenn mich diese Demut ergriffen hat. Demut ist ein gesundes Verhalten das jedem Menschen gut steht wenn er etwas sieht oder erfährt, dass ihn überwältigt.

      Leider bin ich nun niemand der häufig demütig ist, wenn ich es bin schätze ich dieses Gefühl aber sehr.
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff

      Luna schrieb:

      CHRISTL/JÜDISCHE RELIGION: Demut beschreibt demnach die innere Einstellung eines Menschen zu Gott. .. in der heutigen christlichen Spiritualität {wird} Demut nicht als ein Sich-klein-Machen oder als Leugnen des eigenen Wertes gesehen, sondern als realistische Selbsteinschätzung des Menschen in seiner Position in der Welt.


      Diese Aussage gibt meine eigene Position gut wieder: Wirklich demütig kann man nur im Bewusstsein des eigenen Wertes und der eigenen Würde sein. Alles andere wäre keine Demut, sondern - im Extremfall - eine krankhafte Selbstabwertung.

      Vielleicht sind die Grenzen fließend, was noch als gesunde Demut bezeichnet werden kann und wo eine unangemesse Selbstabwertung anfängt. Gerade im BDSM hat sicher jeder seine eigene Wahrnehmung, bis zu welchm Punkt man sich unterwerfen kann, ohne dass es die eigene Integrität verletzt.

      Demut hat für mich im BDSM auch immer etwas mit Respekt und Wertschätzung vor der Frau zu tun, der ich mich demütig zeige. Wenn ich sie als Mensch nicht schätze und respektiere, wenn ich ihr nicht vertrauen kann, dann könnte ich mich ihr auch nicht demütig zeigen. Das hängt wiederum eng zusammen mit dem Bewusstsein für meine eigene Würde. Von daher würde ich sagen, dass kann man nicht trennen: Demut muss immer beide Seite kennen: Den Respekt vor dem Partner, dem man sich demütig hingibt, aber auch den Respekt vor der eigenen Würde.

      Ich glaub auch, echte Demut hat etwas mit Reife zu tun, denn lange Zeit konnte ich diese beiden Seiten für mich nicht unter einen Hut kriegen: Mich bewusst demütig zeigen und zu meiner devoten Seite stehen, aber trotzdem niemals den Respekt vor mir selbst verlieren. Inzwischen gelingt mir das besser, so dass ich meine devote Seite nicht immer so schamhaft verdrängen muss.

      Demut bedeutet, man sieht sich nicht als den Mittelpunkt der Erde an. Es existiert kein Neid, kein Hass, kein Prahlen. Negative Gefühle haben hier keinen Platz. Ist jemand demütig, dann vergisst er alle Oberflächlichkeiten und betrachtet seine Umwelt und sein Tun tiefgründiger. Es zählt hier nicht das ich. Deshalb ist man aber nicht weniger wert. Im Gegenteil, dadurch lebt man bewusster, lernt den noch so kleinsten aber schönsten Moment zu schätzen.

      Es wird einem deutlich gemacht, was wirklich wichtig im Leben ist und dadurch verliert man nie die Bodenhaftung.

      Ich empfinde Demut gegenüber Menschen, deren Schicksal mich tief berührt und gegenüber dem Leben an sich. Wenn ich draußen im Wald spazieren gehe, dann schließe ich einfach die Augen und höre demütig den Stimmen der Natur zu. Ich fühle mich dabei nicht schwach. Denn demütig zu sein, bedeutet sich zwar einzugestehen, dass man schwach ist aber das wiederum wandelt es in Stärke um.Ich fühle mich in solchen Momenten glücklich und dankbar dafür, dass es solche Augenblicke in meinem Leben gibt und ich ein kleiner Teil dessen bin. Es zeugt von Stärke, wenn man sich nicht auf der Bühne des Lebens vor allen anderen stellt, um den Applaus zu kassieren. ;))

      In Bezug auf BDSM sehe ich es genauso. Schließlich ändern sich meine Wertvorstellungen nicht. ICH bin ICH. ;))

      Fühlt ein Dom Demut? Ich denke auf eine andere Art und Weise schon. Er ist dankbar, für das was Sub bereit ist, mit ihm zu teilen, für das Vertrauen und erfreut sich an dem, wie sie sich unter seinen Händen entwickelt. Aber ist das wirklich Demut? Dom ist stolz auf das was Sub erreicht hat, wie sie innerlich zu dem gewachsen ist, was in ihr schlummerte. Ich sage ja. Dom freut sich für SUB. Sicher schwingt da auch etwas Stolz auf seine "Erschaffung" (mal überspitzt ausgedrückt) mit, aber eigentlich würde ich es mehr als Stolz mit einer kleinen Prise Demut bezeichnen. Aber egal wie man es nennt, oder dreht, solange ich in den Augen meines Gegenübers/Doms den Respekt und die Wertschätzung erblicken würde, wäre ich schon dankbar und demütig für diesen einen Augenblick.
      ~Es ist das Unbekannte was so reizt. Reizt es immer noch, wenn es bekannt ist, dann ist es das Besondere~ Author: Unbekannt
      Die Demut der Unterwerfenden will ich jetzt nicht zerpflücken :)

      Zur Demut des Dominanten muss ich einen alten Spruch von mir herauskramen, so eine schlaue Profilunterschrift:

      "Ein Sadist sollte hartherzig sein, ein Dominanter dagegen demütig."

      Will meinen, in dem Augenblick, in dem sich eine Devote wirklich ausliefert - ohne Falsch oder Geschacher - setzt bei mir die Demut ihrer Seele gegenüber ein. In solchen Situationen bin ich mir bewusst, dass ich etwas sehr Zerbrechliches in Händen halte. Das macht mich demütig.