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Bitte liked jedoch nicht diesen Beitrag, da er nicht vom Autor eingestellt wurde, sondern im Rahmen des Geschichtenadventskalenders.
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❅ 10. Dezember ❅
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Fassade
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von @NihilMorari
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❅ 10. Dezember ❅
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Fassade
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von @NihilMorari
„Das ist auch nicht so wirklich deine Party.“ Eine Feststellung, keine Frage. Trotzdem beantwortest du sie mit einem unbestimmten Schulterzucken. „Wie bist du denn auf die Idee gekommen?“, sagt die Stimme des Arschlochs in deinem Kopf und du tust gerade gut daran, die kalte Nachtluft gierig durch die Nase einzusaugen und an der Zigarette, die dir Jenny gerade gegeben hat – der ersten seit Jahren – zu ziehen und diese Worte nicht auszusprechen.
Das Thermometer ist zum ersten Mal in diesem Jahr unter die Null-Grad-Grenze gerutscht und im Moment kannst du das gut gebrauchen. Bei der Zigarette hingegen geben sich die Enttäuschung nach dem ersten Zug und die diffuse Ahnung, dass du dich morgen auf einen soliden, hartnäckigen Kopfschmerz freuen darfst, die Klinke in die Hand. Jenny wirft dir einen mitfühlenden Blick zu und bläst eine halbe Lunge voll Rauch aus, der sich zusammen mit der warmen Atemluft in großen Wolken in den Raum zwischen euch legt.
Du schließt kurz die Augen, nimmst eine Nase voll von der kalten Luft und lockerst dich. „Nein. Nicht so richtig. Ich mag Weihnachten nicht und den Rummel, der darum veranstaltet wird, den Kommerz und die vierundzwanzig Tage organisiertes Kampftrinken. Betriebsfeiern liebe ich vor allem wegen der Musik, der Drinks und der Ungezwungenheit mit den Menschen, mit denen du sowieso viel Zeit verbringst, zu feiern.“ Der Sarkasmus in deinen Worten klingt deutlich durch. Ein weiterer Zug an der Zigarette. „Nichts gegen dich oder die Mannschaft da drinnen.“ Ein Wink mit dem Kopf in die ungefähre Richtung der Wirtshaustür. „Und wie siehst du das? Auch scheinbar nicht so ganz deins.“
Mit der Kippe im Mundwinkel formt ihr Mund ein verschmitztes Lächeln und ihre blauen Augen hinter der Brille blitzen einen Moment auf. „Fein erkannt! Du bist doch nicht so blind und taub, wie Lara sagt, dass du es bist.“ Du grinst ein wenig säuerlich. „Will sie immer noch was von mir?“ Jennys verschmitztes Grinsen wird breiter. „Höchstwahrscheinlich. So oft, wie sie auf dich schimpft.“ Du schüttelst dich. Zum einen, um das letzte Glas Rotwein in deinem System besser zu verteilen, zum zweiten, um der Vorstellung zu entkommen und zum dritten theatralisch, als sich die mitgegröhlten Partyschlager ihren Weg aus dem Inneren des Saufhauses ihren Weg nach draußen und auf deine Trommelfelle bahnen. „Was ist nur aus ,Nicht dahin kacken, wo man isst‘ geworden?“ Jenny lacht kurz und glockenhell, was dich kurz ansteckt.
„Im Ernst, was soll ich mit ihr?“ Sie hebt ihren linken Handrücken an die Stirn und streicht sich mit einem betont leidenden Blick gen Himmel gespielt den Schweiß von der Stirn. „Es vergeht kein Arbeitstag, an dem ich mir nicht dieselbe Frage stelle.“ Jetzt lachst du aus vollem Herzen. „Ich kann ja schlecht auf sie zugehen und ihr vor den Kopf knallen, dass sie nicht mein Typ ist. Ob es was bringen würde, steht sowieso auf einem anderen Papier.“ Du nimmst den letzten Zug von der Zigarette und drückst den Rest in den Aschenbecher. „Mit ein bisschen Pech nimmt sie es als Ansporn.“ Du hast Lust auf einen weiteren Drink, um den Geschmack von Asche und Rauch wegzuspülen, aber schon bei dem Gedanken, wieder in die stickige, überheizte, enge, überlaufene und viel zu laute Umklammerung der Feier zurückzukehren, graut es dir für einen Moment. Die Kälte tut gut. Die Ruhe auch. Im Moment ist es einfach schön, nicht den üblichen Bürosmalltalk aka „Habt ihr das Spiel gesehen?“ oder „Was habt ihr am Wochenende gemacht?“ zu führen.
„Was dagegen, noch ein bisschen hier draußen zu bleiben?“ Und die Zeit genießen, die du dich nicht nur einfach als Fremdkörper in der Gruppe fühlst, denkst du. Jenny grinst. „Ich wollte dich grade dasselbe fragen.“ Sie blickt demonstrativ auf ihr leeres Cocktailglas. „Aber ich befürchte, dass mein Drink kaputt ist.“ Das wiederum bringt dich zum Grinsen und dazu, den Schockierten zu spielen. „Meiner auch! Zufälle gibt’s.“ Ein kurzes Keckern auf beiden Seiten. „Dann also eine kurze Visite in der Werkstatt und wieder raus und ran“, schlägt sie vor und du gibst ein Nicken von dir, während sie den Rest ihrer Zigarette in den Aschenbecher drückt.
Während du die Tür ins Innere der Kneipe öffnest, schallt dir Helene Fischer entgegen. Das motiviert dich zum theatralischen Zurückprallen, was du jedoch geschickt mit einer Tür aufhaltenden „die Dame zuerst“-Geste verbindest. Während du hinter Jenny in Richtung Tresen marschierst, vorbei an den Leuten, denen die Fete ganz gut schmeckt, fühlst du dich merkwürdig leicht. Ja, Jenny ist cool. Auf eine sehr lockere, punkige Weise. Du schätzt sie drei, vielleicht vier Jahre älter als dich selbst und könntest spontan nicht sagen, welchen Job sie erledigt – wer weiß das heutzutage in den gängigen Bürojobs schon? Nur, dass du ihr oft genug am Kopierer über die Füße läufst und ihr ein paar sehr angenehme, ungezwungene Unterhaltungen geführt habt. So lange bist du jetzt ja nun auch noch nicht Teil des Betriebes. Kurz vor der rettenden Zapfanlage kommt ihr an dem Doppeltisch vorbei, an dem die Kollegen gröhlend und lachend sitzen. Die Stimmung bei denen ist so ausgelassen, dass es dich abschreckt und Jannis aus der Lohnbuchhaltung, der in der Zwischenzeit wohl ein Paar Herrengedecke zuviel aufgesaugt hat, ist der Erste, der euer beider Rückkehr würdigt. „Hey, ihr habt euch aber Zeit gelassen! Was da wohl passiert ist…“ fängt er mit vielsagendem Blick in die Runde an und erntet durch Alkoholwirkung verstärkte Heiterkeit. Ein Teil von dir möchte es ignorieren und ein anderer sagt dir „Wenn wir uns sowieso schon alle im Rahmen der plausiblen Abstreitbarkeit bewegen, kannst du dem Nervbolzen auch verbal eine reinhauen“. Doch noch bevor du etwas sagen kannst, hat Jenny schneller geschaltet.
„Die erste Runde war der Hammer und draußen geht die Kippe danach auch. Was Interessantes bei euch passiert?“, sagt sie direkt und knochentrocken. Jannis sieht für einen Augenblick so aus, als hätte ihn der Schlag getroffen und du musst dir auf die Zunge beißen, um nicht laut loszulachen. Aber das musst du auch gar nicht, denn die eine Hälfte des Tisches lacht für dich mit. Sauber abgebürstet, Chapeau. Jenny hat die Reaktion gar nicht erst abgewartet und sich zum Wirt umgedreht. „Noch ’nen trockenen Roten für dich?“, fragt sie in deine Richtung. Sie hat es sich gemerkt. „Yep!“, sagst du mit einem belustigten gutturalen Knarzen.
Du spürst dich lächeln und locker werden. Zum ersten Mal an diesem Abend denkst du nicht mehr im Hinterkopf daran, welchen Song man der ganzen Bagage als Kontrastprogramm für Partyschlager um die Ohren hauen könnte (Dein Favorit bis jetzt ist „Weiss“ von der Band Japanische Kampfhörspiele. „Sklave“ von Kraftklub wäre auch eine Option, aber leider haben sich die wichtigen Personaler schon aus dem Staub gemacht). Du blickst in die Runde und dein Blick schneidet den von Lara. Angeheitert, wie sie ist und ein wenig weggetreten ist das wohl so nahe am Anhimmeln, wie es unter gegebenen Umständen möglich ist. Dir wird es von Sekunde zu Sekunde unangenehmer, da du wirklich nichts von ihr willst.
Der Sadist in dir flüstert, dass man sowas ganz leicht heilen kann, indem man ihr eine härtere Session über ihre Grenzen angedeihen lässt. Die ist verknallt und würde alles mit sich machen lassen, so lange, wie sie schon zappelt. Es juckt dir einen Moment lang tatsächlich in den Fingern, genau das zu tun. Du schließt die Augen. Zu lange her, dass du das letzte Mal eine Session gehabt hast, das Jucken wirklich gekratzt und noch länger, dass du wirklich auf deine Kosten gekommen bist. Ein paar Gläser Wein lockern den aufgestauten Frust über diese Tatsache in dir und in einem Moment der Realisation du schämst dich dafür, dass er es in deine Gedanken geschafft hat. Es ist gut, dass du selbst begreifst, bevor dieser Impuls deine Handlungen lenkt, und du anfängst, dahin zu pissen, wo du trinkst. Bevor du selbst genau das Arschloch wirst, dass du niemals sein wolltest. Deine Überzeugungen schmeißt du nicht über Bord. Nicht für dieses Mädchen, nicht für Irgendjemanden.